Rz. 1

Die Steuerbegünstigung setzt voraus, dass die gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecke selbstlos gefördert werden. Selbstlosigkeit bedeutet freiwillige Arbeit oder Hingabe materieller Mittel ohne wirtschaftlichen Eigennutz; keine Selbstlosigkeit liegt vor, wenn der eigene materielle Nutzen erstrebt wird.[1] Nicht schädlich ist es, wenn für die Beteiligten Vorteile nichtwirtschaftlicher Art – beispielsweise gesellschaftliche Anerkennung – erstrebt werden.[2] Die Beschränkung des § 55 AO auf die wirtschaftliche Selbstlosigkeit ermöglicht die Einordnung von Freizeitvereinen als gemeinnützig. Wenn diese Vereine die Allgemeinheit i. S. d. § 52 AO fördern, schadet es nicht, wenn gleichzeitig ideelle Interessen der Vereinsmitglieder (Freizeitinteressen) befriedigt werden.[3]

Selbstlosigkeit liegt dagegen nicht vor, wenn in erster Linie wirtschaftliche Belange des Vereins oder der Vereinsmitglieder verfolgt werden.

 

Rz. 2

Die Körperschaft verfolgt eigenwirtschaftliche Zwecke i. d. S., wenn ihre Tätigkeit auf Einkunftserzielung und Vermögensmehrung entweder zu ihren Gunsten oder zugunsten ihrer Mitglieder gerichtet ist oder wenn sie ihre Mittel entgegen den Vorgaben über die gemeinnützige Mittelverwendung einsetzt. Als Beispiel für eigenwirtschaftliche Zwecke nennt § 55 Abs. 1 S. 1 AO gewerbliche Zwecke oder sonstige Erwerbszwecke.

 

Rz. 3

Eigenwirtschaftliche Zwecke zugunsten der gemeinnützigen Körperschaft sind nach der Beispielsaufzählung denkbar, wenn ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb[4] unterhalten wird, der nicht der Erfüllung der Satzungszwecke dient und damit nicht die Voraussetzungen eines Zweckbetriebs erfüllt. In der Vergangenheit hat die Finanzverwaltung die Grenze des zulässigen Umfangs steuerpflichtiger wirtschaftlicher Betätigungen danach gezogen, ob die wirtschaftliche Betätigung der Körperschaft im Rahmen einer Gesamtbetrachtung das "Gepräge" gibt.[5] Dabei wurde auf Grundlage von nicht im Einzelnen feststehenden Kriterien (z. B. Verhältnis der Umsätze im ideellen Bereich zu denjenigen im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, Verhältnis der in dem Bereich tätigen Personen) gewichtet, ob die auf Erfüllung der Satzungszwecke gerichtete Tätigkeit stärker oder weniger stark ausgeprägt war als die wirtschaftliche Betätigung.

Die Geprägetheorie ist abzulehnen und nunmehr – zu Recht – auch von der Finanzverwaltung aufgegeben worden.[6] Ausgangspunkt für die Beurteilung der Eigenwirtschaftlichkeit i. S. fehlender Selbstlosigkeit ist die Frage, mit welcher Zielsetzung eine wirtschaftliche Betätigung ausgeübt wird. Wirtschaftliche Geschäftsbetriebe erfordern zwar keine Gewinnerzielungsabsicht[7]; sie dienen jedoch regelmäßig der Beschaffung zusätzlicher Mittel, sind also tatsächlich auf die Erzielung von Gewinnen gerichtet. Die erwirtschafteten Überschüsse der nicht begünstigten Tätigkeit sind entsprechend den Vorgaben über die gemeinnützige Mittelverwendung für die begünstigten Zwecke einzusetzen. Verhält sich eine gemeinnützige Körperschaft im Hinblick auf die Verwendung der zusätzlich erwirtschafteten Mittel gemeinnützigkeitskonform, ist demnach kein Raum für eine einen Verstoß gegen das Selbstlosigkeitsgebot begründende Vermögensmehrung. Thesauriert sie entgegen den Vorgaben von § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO ihre Mittel und mehrt so ihr Vermögen, verletzt sie das Gebot zur zeitnahen Mittelverwendung. Damit hat das Tatbestandsmerkmal der eigenwirtschaftlichen Zwecke keinen eigenen Regelungsgehalt, soweit es um eigene Zwecke der Körperschaft geht.[8]

Die Zulässigkeit der wirtschaftlichen Betätigung ist vielmehr am Ausschließlichkeitsgebot[9] zu messen: Dient die Tätigkeit der Finanzierung des gemeinnützigen Zwecks, dann ist sie der gemeinnützigen Zielsetzung untergeordnet mit der Folge, dass die Körperschaft ausschließlich steuerbegünstigte Zwecke verfolgt.[10] Ist der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb dagegen nicht dem gemeinnützigen Zweck untergeordnet, beispielsweise weil dauerdefizitäre Tätigkeiten ohne Bezug zum gemeinnützigen Zweck aufrechterhalten werden, fehlt es an der ausschließlich gemeinnützigen Zweckrichtung; die Körperschaft ist dann insgesamt steuerpflichtig.[11]

 

Rz. 4

Die Höhe der erzielten Einnahmen oder Überschüsse aus der wirtschaftlichen Betätigung bzw. der Vermögensverwaltung ist unschädlich, da die Beschaffung zusätzlicher Mittel gerade die Rechtfertigung für die entsprechenden Tätigkeiten bildet.[12]

 

Rz. 5

Verbleibender Regelungsgehalt des § 55 Abs. 1 S. 1 AO ist damit, dass die Selbstlosigkeit zu verneinen ist, wenn in erster Linie eigenwirtschaftliche Belange der Mitglieder verfolgt werden.[13] Dabei schadet nicht jeder Nutzen für die Mitglieder; bei vielen Körperschaften ist die Förderung der Mitglieder notwendiges Nebenprodukt der Tätigkeit. Selbstlosigkeit scheidet erst dann aus, wenn der wirtschaftliche Eigennutz der Mitglieder in den Vordergrund tritt.[14]

Der Begriff der Mitglieder umfasst Vereinsmitglieder und Gesellschafter einer gemeinnützigen Kapitalgesellschaft, den Stifter ...

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