1 Allgemeines

 

Rz. 1

Mildtätigkeit ist die Sorge für Personen, die sich in einer persönlichen (körperlich, geistig, seelisch bedingten) oder wirtschaftlichen Notsituation befinden. Voraussetzung für die Steuerbegünstigung wegen Verfolgung mildtätiger Zwecke ist nicht, anders als bei § 52 AO, dass die Allgemeinheit gefördert wird. Mildtätiges Handeln dient zwar grundsätzlich dem Gemeinwohl, ist deshalb zumindest i. w. S. "gemeinnützig" und erfüllt regelmäßig zugleich auch Zwecke aus dem Katalog des § 52 Abs. 2 S. 1 AO (z. B. Altenhilfe, Wohlfahrtspflege). Mildtätigkeit liegt aber schon vor, wenn ein kleiner abgeschlossener Personenkreis gefördert wird, der hilfebedürftig ist.

Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist eine Körperschaft, zu deren Satzungszwecken die Unterstützung von hilfebedürftigen Verwandten der Mitglieder, Gesellschafter und Stifter gehört, nicht selbstlos tätig und kann nicht als steuerbegünstigt anerkannt werden, da insofern nicht die Förderung mildtätiger Zwecke, sondern die Förderung der Verwandtschaft im Vordergrund stehe.[1] Dem ist entgegenzuhalten, dass das Verwandtschaftsverhältnis für sich betrachtet steuerlich als unbeachtlich zu betrachten ist. Die Verwandtschaft mag Motivation für die Unterstützung sein; sie lässt die Selbstlosigkeit der Unterstützung aber erst entfallen und begründet eine eigenwirtschaftliche Ausrichtung, wenn die Körperschaft darauf gerichtet ist, ihre Mitglieder, Gesellschafter oder Stifter von eigenen Unterhaltspflichten zu entlasten.[2] Die bisher vertretene Auffassung wird aufgegeben.

Zur grundsätzlich zulässigen Verfolgung mildtätiger Zwecke im Ausland vgl. § 51 AO Rz. 13.

[1] AEAO Nr. 3 zu § 53 AO; ebenso Gersch, in Klein, AO, 12. Aufl. 2014, § 53 AO Rz. 9; kritisch Hüttemann, FR 2002, 1337f., der fehlende Selbstlosigkeit nur für den Fall bejaht, dass durch die Leistungen der Körperschaft eigene gesetzliche Unterhaltspflichten der hinter der Körperschaft stehenden Personen abgewendet werden sollen.
[2] Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 3. Aufl. 2015 Rz. 3.161; Leisner-Egensperger in HHSp, AO/FGO, § 53 AO Rz. 17.

2 Hilfebedürftigkeit infolge des körperlichen, geistigen oder seelischen Zustands

 

Rz. 2

Körperlich hilfebedürftig sind Personen, deren Bewegungsmöglichkeit oder sonstige körperliche Leistungsfähigkeit, gleich aus welchen Ursachen, eingeschränkt ist

Geistig hilfebedürftig sind Personen, deren intellektuelle Leistungsfähigkeit erheblich eingeschränkt ist. Zum Kreis der hilfebedürftigen Personen zählen Pflegebedürftige i. S. v. §§ 14, 15 SGB XI und § 61 Abs. 1 SGB XII.[1]

Seelisch hilfebedürftig sind Personen, deren Leistungsfähigkeit durch Persönlichkeitsstörungen beeinträchtigt ist. Seelisch hilfebedürftig sind darüber hinaus misshandelte Personen (z. B. Opfer von Vergewaltigung und Folter, misshandelte Frauen). Die Telefonseelsorge sowie andere Formen der seelsorgerischen Betreuung – beispielsweise der Opferschutz – gehören zu den mildtätigen Zwecken.[2] Einrichtungen zur Unterstützung persönlich hilfebedürftiger Personen sind Krankenhäuser, Alten- und Pflegeeinrichtungen, Einrichtungen für behinderte Menschen, Erholungsheime und Obdachlosenheime (Zweckbetriebe); mildtätige Zwecke verfolgen auch Beratungsstellen für Drogensüchtige, Blindenfürsorge und Frauenhäuser.

 

Rz. 3

Hilfen an die in § 53 Nr. 1 AO genannten Personen können ohne Rücksicht auf ihre wirtschaftliche Lage gewährt werden; eine wirtschaftliche Notlage braucht also nicht vorzuliegen. Die Hilfebedürftigkeit braucht nicht dauernd oder für längere Zeit zu bestehen; es können daher auch Hilfeleistungen wie "Essen auf Rädern" bei vorübergehenden Krankheiten steuerbegünstigt durchgeführt werden.[3] Die Hilfebedürftigkeit braucht nicht auf Krankheit zu beruhen, sie kann ihren Grund auch in hohem oder geringem Alter haben. Bei Personen, die das 75. Lebensjahr vollendet haben, wird ohne weitere Prüfung körperliche Hilfebedürftigkeit unterstellt.[4]

[1] Buchna/Leichinger/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit im Steuerrecht, 11. Aufl. 2015, 106.
[2] AEAO Nr. 1 zu § 53 AO; Buchna/Leichinger/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit im Steuerrecht, 11. Aufl. 2015, 107.

3 Wirtschaftliche Hilfebedürftigkeit

 

Rz. 4

§ 53 Nr. 2 AO legt die Grenzen der wirtschaftlichen Hilfebedürftigkeit fest. Ausgangspunkt ist der Regelsatz der Sozialhilfe nach § 28 SGB XII. Es dürfen danach grundsätzlich nur Personen unterstützt werden, deren Bezüge das Vierfache dieses Regelsatzes nicht überschreiten. Etwaige im SGB XII vorgesehene Zuschläge wegen eines Mehrbedarfs (Erwerbsunfähige, werdende Mütter, Blinde, Behinderte usw.) werden nicht berücksichtigt. Außer Ansatz bleiben auch Leistungen für die Unterkunft; als Ausgleich dafür wird bei Alleinstehenden und beim Alleinerziehenden (früher: Haushaltsvorstand) anstelle des vierfachen Regelsatzes der fünffache angesetzt. Diese Regelung hat den Vorteil, dass unangemessen hohe Mietaufwendungen nicht zu einer Erhöhung der unschädlich zu beziehenden Bezüge führen und eine Feststellung der Mietaufwendungen unterbleiben kann. Für übrige Haushaltsangehörige staffeln sich die R...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge