1 Gemeinnützige Zwecke

 

Rz. 1

§ 52 Abs. 1 S. 1 AO enthält drei Tatbestandsmerkmale:

  • die selbstlose Förderung,
  • der Allgemeinheit
  • auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet.

Die vom Gesetzgeber als förderungswürdig eingestuften Betätigungen sind detailliert im Zweckkatalog des § 52 Abs. 2 AO aufgeführt. Mit dem Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements v. 10.10.2007[1] wurde der Katalog der gemeinnützigen Zwecke erheblich erweitert. Er enthält nun auch die bis zum 31.12.2006 in der Anlage 1 zu § 48 Abs. 2 EStDV allgemein als besonders förderungswürdig anerkannten gemeinnützigen Zwecke – die Unterscheidung zwischen steuerbegünstigten und spendenbegünstigten Zwecken ist infolgedessen mit Wirkung ab 1.1.2007 entfallen.

Der Zweckkatalog der gemeinnützigen Betätigungen ist dem Grunde nach abschließend. Um der Finanzverwaltung die Möglichkeit zu geben, auf sich ändernde gesellschaftliche Verhältnisse zu reagieren, wurde auf Vorschlag des Finanzausschusses eine Öffnungsklausel in § 52 Abs. 2 S. 2 AO eingefügt.

Es genügt, wenn die Förderung nur einen der Katalogzwecke erfasst, sie kann sich aber auch auf mehrere Zwecke erstrecken. Es müssen die Belange der Allgemeinheit gefördert, also Ziele verfolgt werden, deren Erreichung das allgemeine Wohl fördert, und die daher auch von öffentlichen Stellen verfolgt werden könnten oder müssten. Dieses Merkmal ist konstitutiv für den Begriff der Gemeinnützigkeit, da eine Förderung privater Tätigkeit nur gerechtfertigt ist, wenn sie gleichsam staatliche Tätigkeit entlastet. Das ist z. B. bei der Förderung von Geselligkeit und Unterhaltung nicht der Fall, da dieser Bereich das allgemeine Wohl nicht tangiert.[2]

[1] BGBl I 2007, 2332.

2 Selbstlose Förderung

 

Rz. 2

Unter Förderung ist das Hinwirken auf ein bestimmtes Ziel zu verstehen, bei dem etwas "vorangebracht, vervollkommnet oder verbessert wird".[1] Entsprechend dem Wortlaut ("darauf gerichtet") bedarf es keines Erfolgseintritts, keiner Vollendung, sondern lediglich einer Tätigkeit mit einer entsprechenden Zielrichtung. Bei der Beurteilung der Zielrichtung und der Ernsthaftigkeit, mit der diese verfolgt wird, kann allerdings der Eintritt bzw. Nicht-Eintritt einer Wirkung einbezogen werden.

Die Förderung muss selbstlos sein, sie darf nicht eigennützig erfolgen. Der Begriff der Selbstlosigkeit ist in § 55 AO näher erläutert.[2]

Es fallen auch vorbereitende Tätigkeiten, insbesondere von neu gegründeten Körperschaften[3], unter den Begriff des Förderns. Unzureichend ist jedoch die Absicht, den Satzungszweck zu einem unbestimmten Zeitpunkt zu verwirklichen. Vielmehr ist stets eine möglichst zeitlich unmittelbare Zweckerreichung zu beabsichtigen.[4]

Umstritten ist, ob gemeinnützigen Körperschaften auch eine Abwicklungsphase zuzubilligen ist. Die Steuerbegünstigung endet spätestens mit Vollbeendigung der Körperschaft.[5] Nach Auffassung des BFH ändert sich aber bereits mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer gemeinnützigen Körperschaft deren Zweck; sie zielt nicht mehr auf die selbstlose Förderung der Allgemeinheit, sondern auf Befriedigung der Gläubiger durch Verwertung des Vermögens der Körperschaft ab.[6] Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass die Begleichung von Verbindlichkeiten, die in Verfolgung der gemeinnützigen Zwecke eingegangen wurden, eine zeitversetzte satzungszweckbezogene Mittelverwendung darstellt.[7] Zudem können Liquidation wie Insolvenzverfahren wegen ihres Charakters als technische Verfahren zur Beendigung einer Körperschaft bzw. zu deren Sanierung nicht isoliert im Hinblick auf die Voraussetzungen der steuerlichen Gemeinnützigkeit betrachtet werden. Die Beendigungsphase einer Körperschaft ist notwendiger Bestandteil ihres Lebenszyklus[8]; hat die gemeinnützige Körperschaft in der Zeit ihrer werbenden Tätigkeit die Voraussetzungen der §§ 52ff. AO erfüllt, erstreckt sich die Steuerbegünstigung als Reflex bis zur Vollbeendigung der Körperschaft. Dem entspricht, dass als letzte Maßnahme aus gemeinnützigkeitsrechtlicher Sicht der Liquidationserlös entsprechend den Bestimmungen der satzungsmäßigen Anfallsklausel zu verwenden ist.

[5] Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 5. Aufl. 2021, Rz. 2.23.
[7] So zutreffend Dehesselles, DStR 2008, 2050, 2052; ebenso Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 5. Aufl. 2021, Rz. 2.23.
[8] Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 5. Aufl. 2021, Rz. 2.24.

3 Förderung der Allgemeinheit

3.1 Begriff der Allgemeinheit

 

Rz. 3

Der Begriff der "Allgemeinheit" i. S. dieser Norm ist aus zwei Perspektiven zu betrachten:

  • Allgemeinheit als Anforderung an den Personenkreis[1]

    und darüber hinaus

  • Allgemeinhei...

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