1 Grundlagen

 

Rz. 1

Gemäß § 410 Abs. 1 Halbs. 1 AO sind die verfahrensrechtlichen Vorschriften des OWiG und mittelbar auch die der allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren für das steuerliche Bußgeldverfahren entsprechend anwendbar. Diese allgemeinen Verfahrensvorschriften treten jedoch zurück, wenn und soweit durch die AO Sonderregelungen wie z. B. § 412 AO getroffen werden.[1] Mit § 412 AO verfolgt der Gesetzgeber das Ziel der Vereinfachung: Durch die Regelungen der Abs. 1 und Abs. 3 werden landesrechtliche Vorschriften zugunsten einer einheitlichen Anwendung der bundesrechtlichen Regelungen des VwZG und des VwKostG bei Steuerordnungswidrigkeiten verdrängt, sodass auch die Landesbehörden Bundesrecht beachten müssen. Gemäß Abs. 2 gelten einheitlich die Vollstreckungsvorschriften der AO.

2 Zustellung von Bußgeldbescheiden

 

Rz. 2

Gemäß § 410 Abs. 1 Halbs. 1 AO i. V. m. §§ 50 Abs. 1 S. 1, 46 Abs. 1 OWiG sind Anordnungen, Verfügungen und sonstige Maßnahmen der Finanzbehörden im steuerlichen Bußgeldverfahren grundsätzlich formlos bekannt zu geben. Maßnahmen, gegen die ein befristeter Rechtsbehelf zulässig ist (Bsp.: Bußgeldbescheid, Kostenentscheidungen), sind hingegen gem. § 50 Abs. 1 S. 2 OWiG in einem Bescheid durch Zustellung bekannt zu machen. Dies bezieht sich auch auf die Belehrung über die Anfechtungsmöglichkeit, sowie deren Frist und Form, § 50 Abs. 2 OWiG. Wird der Bescheid durch eine Verwaltungsbehörde des Bundes (z. B. Bundeszollamt) erlassen, gelten für das Zustellungsverfahren gem. § 51 Abs. 1 S. 1 OWiG die Vorschriften des VwZG. Dasselbe gilt gem. § 412 Abs. 1 S. 1 AO auch, wenn im steuerlichen Bußgeldverfahren das Verfahren durch eine Landesbehörde durchgeführt wird.[1]

 

Rz. 3

Die Finanzbehörde hat gem. § 2 Abs. 3 S. 1 VwZG unter den verschiedenen Zustellungsmöglichkeiten, die das VwZG bei der Zustellung eines Bußgeldbescheids bietet, die freie Wahl.[2] Zulässig sind somit die folgenden Zustellungsarten[3]:

  • Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde gem. § 3 VwZG: Hierbei handelt es sich gem. Nr. 116 AStBV (St) 2019 um die vorgesehene Regelzustellungsart.
  • Zustellung gem. § 4 VwZG mittels eingeschriebenem Brief.
  • Aushändigung durch die Behörde – ggf. auch an Amtsstelle – gegen Empfangsbekenntnis, § 5 VwZG. Die §§ 177181 ZPO sind anwendbar im Fall der Ersatzzustellung i. S. d. § 5 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwZG und bei Verweigerung der Annahme gem. § 5 Abs. 2 Nr. 2 VwZG.
  • Der in § 5a VwZG geregelten elektronischen Zustellung kommt bisher keine größere Bedeutung zu.
  • Die Zustellung im Ausland ist in § 9 Abs. 1 VwZG geregelt.
  • Unter den Voraussetzungen des § 10 VwZG kann in Ausnahmefällen auch eine Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen.
 

Rz. 4

Der Bescheid ist gem. § 412 Abs. 1 S. 2 AO i. V. m. § 51 Abs. 2 OWiG dem Betroffenen als Zustellungsempfänger zuzustellen und wenn er einen gesetzlichen Vertreter hat, auch diesem. Erfolgt die Zustellung an einen Verteidiger oder an mehrere Empfangsberechtigte, sind gem. § 412 Abs. 1 S. 2 AO auch die Regelungen des § 51 Abs. 3 bis 5 OWiG zu beachten. Folglich sind gem. § 51 Abs. 5 S. 5 OWiG die Regelungen des § 6 Abs. 1 VwZG (Zustellung an den gesetzlichen Vertreter bei Geschäftsunfähigkeit) und des § 7 Abs. 1 S. 1 und 2 VwZG (Zustellung an Bevollmächtigte) nicht anwendbar.

Gemäß § 412 Abs. 1 S. 2 AO i. V. m. § 51 Abs. 1 S. 2 OWiG darf sich die Bußgeldbehörde automatischer Einrichtungen zur Erstellung der Bescheide bedienen; vgl. § 378 AO Rz. 23.

Die Zustellung setzt den Lauf der Rechtsmittelfrist[4] in Gang.

Ist das Verfahren bei der Staatsanwaltschaft oder bei dem Gericht anhängig, so greift § 412 Abs. 1 AO nicht ein. Gem. § 46 Abs. 1 OWiG richtet sich die Zustellung vielmehr nach §§ 35, 36ff. StPO, 166ff. ZPO.

[1] Anders für das allg. Ordnungswidrigkeitenverfahren § 50 Abs. 1 S. 1 Halbs. 2 OWiG.
[2] Ausnahme: § 5 Abs. 5 S. 2 VwZG; vgl. Seitz/Bauer, in Göhler, OWiG, 17. Aufl. 2017, § 51 Rn. 7ff.; Kemper, in Rolletschke/Kemper, Steuerstrafrecht, § 412 AO Rz. 6; Joecks, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, 5f.; Rüping, in HHSp, AO/FGO, § 412 AO Rn. 10f.
[3] Vgl. dazu umfassend Seitz/Bauer, in Göhler, OWiG, 17. Aufl. 2017, § 51 Rn. 9ff.; Kemper, in Rolletschke/Kemper, Steuerstrafrecht, § 412 AO Rz. 7ff.

3 Vollstreckung im steuerlichen Bußgeldverfahren

 

Rz. 5

Durch das Vollstreckungsverfahren soll die Beitreibung von festgesetzten Geldbußen, Forderungen aus angeordneten Nebenfolgen, verhängten Ordnungsgeldern und Kosten des Bußgeldverfahrens sichergestellt werden. In § 90 Abs. 1 OWiG ist die Vollstreckung von Bußgeldentscheidungen jedoch für Bundes- und Landesbehörden unterschiedlich geregelt. Aus Zweckmäßigkeitserwägungen ist die Vollstreckung von Bescheiden der Finanzbehörden in Bußgeldverfahren durch § 412 Abs. 2 S. 1 AO für Finanzbehörden des Bundes und der Länder einheitlich geregelt, sodass statt der §§ 90 Abs. 1 und 4, 108 Abs. 2 OWiG in jedem Fall die für die Vollstreckung von Verwaltungsakten der Finanzbehörden geltenden §§ 249 bis 346 AO anwendbar sind. Die übrigen Vorschrifte...

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