Rz. 12

§ 411 AO ist lediglich anwendbar in Verfahren der Finanzbehörde wegen Steuerordnungswidrigkeiten. Es besteht jedoch auch in gerichtlichen Strafverfahren Mitteilungspflichten für die Gerichte, die sich aus der "Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen" (MiStra) ergeben. Auf die Angehörigen der steuerberatenden Berufe und Wirtschaftsprüfer ist Nr. 24 MiStra anwendbar. Danach ist der Pflichtverstoß der jeweiligen Berufskammer mitzuteilen, wenn der jeweilige Tatvorwurf auf eine Verletzung von Pflichten schließen lässt, die bei der Ausübung des Berufs zu beachten sind, oder wenn der Tatvorwurf in anderer Weise geeignet ist, Zweifel an der Eignung, Zuverlässigkeit oder Befähigung hervorzurufen. Die Mitteilungspflichten in Bezug auf Rechtsanwälte ergeben sich aus Nr. 23 MiStra.

Durch die Mitteilungen nach der MiStra sollen die Standesorganisationen über berufswidrige Verhaltensweisen ihrer Mitglieder unterrichtet werden, um die Einleitung berufsständischer Maßnahmen zu ermöglichen. Die Unterrichtungspflicht besteht u. a. bei der Erhebung der öffentlichen Klage, sei es durch Vorlage einer Anklageschrift bei Gericht, sei es durch Antrag auf Erlass eines Strafbefehls. Die Mitteilungen richten sich bei Angehörigen der steuerberatenden Berufe und bei Wirtschaftsprüfern an die Landesfinanzministerien, die örtlichen Berufskammern sowie die zuständige Generalstaatsanwaltschaft als für berufsgerichtliche Verfahren zuständige Stelle.[1] Bei Rechtsanwälten richten sich die Mitteilungen an die örtliche Rechtsanwaltskammer und an den Generalstaatsanwalt.[2]

Da die Zuständigkeit für ein etwaiges Widerrufsverfahren bei Angehörigen der steuerberatenden Berufe jedoch gem. § 46 Abs. 4 StBerG den Steuerberaterkammern und bei Wirtschaftsprüfern gem. § 21 WiPrO den Wirtschaftsprüferkammern übertragen wurde, erscheint eine Mitteilung an die Landesfinanzministerien verfehlt. Sie erfolgt jedoch durch die Staatsanwaltschaft auf Basis der nicht angepassten Anm. zu Nr 24 MiStra, in der die jeweilige oberste Finanzbehörde ausgewiesen wird.

In Nr. 2 Abs. 1 S. 1 MiStra wird allerdings ausdrücklich auf die Geltung des Steuergeheimnisses hingewiesen. Da keine ausdrückliche Offenbarungsmöglichkeit i. S. d. § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO geschaffen wurde, ist eine Offenbarung nur zulässig, wenn ein zwingendes öffentliches Interesse i. S. d. § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO an der Informationsweitergabe besteht. Ein zwingendes öffentliches Interesse ist stets gegeben, wenn beim Unterlassen des Offenbarens die Gefahr schwerer Nachteile für das Wohl des Bundes, eines Bundeslandes oder einer anderen zentralen öffentlich-rechtlichen Körperschaft eintreten würde oder wenn die Nichtweitergabe von Informationen eine erhebliche Störung der wirtschaftlichen Ordnung darstellen würde.[3] Dies ist bei Steuerstrafverfahren, die sich gegen Angehörige der steuerberatenden Berufe richten, zweifelhaft; allein die Beteiligung eines Kammermitglieds an einer Steuerhinterziehung kann noch nicht zu einer Bejahung eines zwingenden öffentlichen Interesses im dargestellten Sinne führen.[4]

Wird eine Mitteilungspflicht gem. § 23 Abs. 1 MiStra bejaht, so sind der Erlass und der Vollzug eines Haft- oder Unterbringungsbefehls, Entscheidungen, durch die ein vorläufiges Berufsverbot angeordnet oder ein solches aufgehoben worden ist, die Erhebung der öffentlichen Klage sowie Urteile bzw. der Ausgang des Verfahrens mitzuteilen. Darüber hinaus sind – wie sich aus § 6 Abs. 4 MiStra ergibt – auch die Anklageschrift, eine an ihre Stelle tretende Antragsschrift nach § 414 Abs. 2 S. 2 StPO, der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls sowie der Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren[5] zu übermitteln.

[1] Vgl. Nr. 24 Abs. 4 MiStra i. V. m. §§ 113ff. StBerG, 84ff. WiPrO.
[2] Vgl. Nr. 23 Abs. 4 Nr. 3 MiStra i. V. m. §§ 119ff. BRAO.
[4] Weyand, INF 1990, 241, 244; Kemper, in Rolletschke/Kemper, Steuerstrafrecht, § 411 AO Rz. 15; Hilgers-Klautzsch, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 411 AO Rz. 12.

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