Rz. 40

Führt das Ermittlungsverfahren nicht zur Einstellung, ist der Beschuldigte spätestens vor dem Abschluss der Ermittlungen zu vernehmen, § 163a Abs. 1 S. 1 StPO. In einfachen Sachen genügt die Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme[1], wovon in der Praxis im Steuerstrafverfahren die Fahndung jedoch weniger Gebrauch macht als die Bußgeld- und Strafsachenstelle. § 163a StPO setzt den verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf rechtliches Gehör um[2] und sorgt dafür, dass der Beschuldigte spätestens vor dem Abschluss der Ermittlungen von dem gegen ihn geführten Verfahren erfährt. Häufig versuchen die Beamten aber, den Beschuldigten möglichst frühzeitig zu einer Einlassung zu bewegen. Erfahrungsgemäß zeigen sich viele Steuerhinterzieher nach dem Fahndungszu­griff zur Mitarbeit bereit, nicht zuletzt weil ein Geständnis strafmildernd zu berücksichtigen ist.[3] Auf diese Weise lässt sich das Ermittlungsverfahren aber oft auch wesentlich schneller und diskreter abwickeln; anderenfalls bleiben zeugenschaftliche Vernehmungen von Geschäftspartnern und Banken regelmäßig unumgänglich. Es liegt auf der Hand, dass Beschuldigte solche Ermittlungen häufig vermeiden wollen.

 

Rz. 41

Dementsprechend ergeht meist kurz nach der Durchsuchung und nach einer ersten Auswertung der aufgefundenen Beweismittel eine Ladung zur Vernehmung an den Beschuldigten. Die Ladung erfolgt regelmäßig schriftlich[4], einer förmlichen Zustellung bedarf es zwar nicht zwingend, diese kann aber zu Beweiszwecken im Einzelfall förderlich sein.[5] Über die Ladung des Beschuldigten ist nach § 163a Abs. 3 S. 2 StPO i. V. m. § 168c Abs. 5 StPO dessen Verteidiger zu unterrichten. Ladungen der Steuerfahndung muss der Beschuldigte nicht folgen. Eine entsprechende Verpflichtung besteht nur, wenn die Staatsanwaltschaft – bzw. die Bußgeld- und Strafsachenstelle in Verfahren, die die Finanzbehörde in eigener Zuständigkeit führt – vorlädt[6] oder eine richterliche Vernehmung durchgeführt werden soll.[7] Bei der Vernehmung durch die Fahndung hat der Verteidiger des Beschuldigten ein Anwesenheitsrecht nach § 163a Abs. 4 S. 2 StPO i. V. m. § 168c Abs. 1 StPO. Findet die Vernehmung bei der Staatsanwaltschaft/Bußgeld- und Strafsachenstelle bzw. vor dem Ermittlungsrichter statt, hat der Verteidiger ein uneingeschränktes Teilnahmerecht.[8]

Da Ermittlungen der Fahndung stets im Auftrag der Strafsachenstelle des FA bzw. der Staatsanwaltschaft erfolgen, haben diese ohne weiteres ein Anwesenheitsrecht bei der Vernehmung.[9]

 

Rz. 42

Vor der ersten Vernehmung muss der Vernehmungsbeamte den Beschuldigten darüber belehren, welche Taten ihm zur Last gelegt werden.[10] Er muss den Beschuldigten über dessen Recht, sich des Beistands eines Verteidigers zu bedienen sowie entlastende Beweiserhebungen zu beantragen[11], informieren und ihn darauf hinweisen, dass er zur Sache keine Aussagen zu machen braucht.[12] Da die Fahndung regelmäßig auch die Besteuerungsgrundlagen ermittelt[13], ist der Beschuldigte, soweit dazu Anlass besteht, auch darüber zu belehren, dass die weitere Mitwirkung im Besteuerungsverfahren nicht mehr erzwungen werden kann.[14]

Wird die Belehrung – aus welchen Gründen auch immer – unterlassen, so kann dies nach der Rspr. des BGH zu einem Verwertungsverbot führen.[15] Wird ein Tatverdächtiger zunächst zu Unrecht als Zeuge vernommen, so ist er wegen des Belehrungsverstoßes[16] bei Beginn der nachfolgenden Vernehmung als Beschuldigter auf die Nichtverwertbarkeit der früheren Angaben hinzuweisen ("qualifizierte" Belehrung). Insbesondere bei Vorfeldermittlungen nach § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO ist der Übergang von der Stellung eines Zeugen zum Beschuldigten oftmals fließend. Die Fahndung muss den Zeugen erst dann als Beschuldigten behandeln, wenn sich der Verdacht gegen ihn so verdichtet hat, dass er ernstlich als Täter der untersuchten Straftat in Betracht kommt. Die Grenzen des der Fahndung eingeräumten Beurteilungsspielraums sind erst dann überschritten, wenn trotz starken Tatverdachts keine Belehrung erfolgt und auf diese Weise die Beschuldigtenrechte umgangen werden.[17] Unterbleibt die "qualifizierte" Belehrung, kann nach einer Abwägung im Einzelfall die Aussage dennoch verwertet werden.[18] Verlangt der Beschuldigte bei einer polizeilichen Vernehmung nach einem Verteidiger und will der Polizeibeamte die Vernehmung fortsetzen, so ist dies ohne vorangegangene Konsultation eines Verteidigers nur zulässig, wenn sich der Beschuldigte ausdrücklich nach erneutem Hinweis auf sein Recht auf Zuziehung eines Verteidigers mit der Fortsetzung der Vernehmung einverstanden erklärt. Dem müssen allerdings ernsthafte Bemühungen des Polizeibeamten vorausgegangen sein, dem Beschuldigten bei der Herstellung des Kontakts zu einem Verteidiger in effektiver Weise zu helfen. Anderenfalls ist von einem Verwertungsverbot auszugehen.[19] Diese Konsequenz zieht der BGH auch für die Fälle, in denen es einem Beschuldigten verwehrt wird, vor der ersten Vernehmung seinen Wahlverteidiger zu befragen; ...

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