Rz. 104

Die Rechtsnormen stehen als Teil einer Gesamtrechtsordnung, die sich zu einer widerspruchslosen Einheit zusammenfügen muss, in einer Rangordnung. Aus dieser ergeben sich wegen der erforderlichen Klarheit über das im Einzelfall anzuwendende Recht Rangordnungsregeln (dazu Rz. 105ff.) Die Geltung einer vorrangigen Norm schließt die Geltung der nachrangigen Norm aus. Ferner bestehen Kollisionsregelungen für den Fall, dass sich Regelungen auf derselben Rangordnungsstufe widersprechen (dazu Rz. 107).

 

Rz. 105

Im innerstaatlichen Recht bildet sowohl im Bundesrecht als auch im Landesrecht jeweils die Verfassung (GG, Landesverfassungen) die oberste Stufe. Danach folgen die Gesetze im formellen Sinn, dann die Rechtsverordnungen und schließlich die autonomen Satzungen. Ungeschriebenes Recht hat den Rang des Rechts, das es ergänzt oder ändert.[1] Daher nimmt z. B. das Gewohnheitsrecht in der Rangordnung die Stufe ein, auf der es sich gebildet hat. Verwaltungsvorschriften sind zwar keine Rechtsnormen (vgl. Rz. 108). Hier gilt jedoch Art. 31 GG analog, sodass Verwaltungsvorschriften des Bundes ein Vorrang vor kollidierenden Verwaltungsvorschriften eines Landes zukommt.[2]

 

Rz. 106

Im Verhältnis zwischen Bundesrecht und Landesrecht hat das Bundesrecht gem. Art. 31 GG ("Bundesrecht bricht Landesrecht") Vorrang vor dem Landesrecht und den autonomen Satzungen. Widersprechen sich Bundesrecht und Landesrecht, so schließt das Bundesrecht das Landesrecht aus. Dabei ist Bundesrecht jeder Stufe vorrangig gegenüber dem Landesrecht, sodass z. B. die Regelung in einer Rechtsverordnung des BMF, die im Widerspruch zu der Vorschrift einer Landesverfassung steht, als Bundesrecht vorgeht. Die autonomen Satzungen gehen den staatlichen Normen des Bundes und der Länder stets nach.

Zum Rang der allgemeinen Regeln des Völkerrechts sowie zum Anwendungsvorrang des EU-Rechts vgl. bereits Rz. 7 ff.

 

Rz. 107

Besondere Prinzipien gelten im Fall der Kollision von Normen derselben Rangstufe. Hier gelten bei förmlichen Gesetzen folgende Regeln:

  • Die speziellere besondere Norm geht der allgemeinen Norm vor (lex specialis derogat legi generali). Dazu bedarf es im Einzelfall hinsichtlich eines gegebenen Spezialitätsverhältnisses eingehender Auslegungserwägungen.[3]
  • Die spätere Norm geht der früheren vor (lex posterior derogat legi priori). Nach dieser Kollisionsregel kann eine Norm durch eine nachträglich entstandene Norm gleichen oder höheren Ranges ihre Geltung verlieren.[4] Diese Kollisionsregel gilt jedoch nicht, wenn die ältere Regelung spezieller ist als die jüngere.[5]
  • Die höhere Norm geht der niederen vor (lex superior derogat legi inferiori).
  • Eine später ergangene allgemeine Norm ersetzt nicht die frühere spezielle Norm (lex generalis posterior non derogat legi speciali priori).

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