4.2.1 Rechtswirkung

 

Rz. 26a

Das Ruhen der Verjährung[1] hemmt den Weiterlauf der Verjährungsfrist für die Strafverfolgung. Die Verjährungsfrist beginnt nicht erneut zu laufen, sondern die Zeit, in der aufgrund der Aussetzung das Verfahren ruht (s. Rz. 28, 28a), wird der Verjährungsfrist hinzugerechnet. Die Verjährung ist ein Prozesshindernis, das stets von Amts wegen zu prüfen ist.[2] Das Verfahren ist, wenn die gesetzliche Verjährungsfrist[3] abgelaufen ist, erforderlichenfalls in der Rechtsmittelinstanz einzustellen. Die verjährungshemmende Wirkung des § 396 AO tritt aber nur bei rechtmäßiger Aussetzung ein.[4]

 

Rz. 27

Lagen die objektiven Voraussetzungen für eine Aussetzung (s. Rz. 10) nicht vor und ist diese damit von den Ermittlungsbehörden oder den Strafgerichten unzutreffend erfolgt, so verlängert sich die Verjährungsfrist (s. Rz. 26a) nicht und verhindert demgemäß nicht deren Ablauf.[5]

 

Rz. 27a

Auch bei einer fehlerhaften Ermessensausübung tritt die verjährungshemmende Wirkung des § 396 Abs. 3 AO grundsätzlich nicht ein.[6] Die Ausübung des Ermessens (s. Rz. 17) der Ermittlungsbehörden oder Strafgerichte ist durch das Rechtsmittelgericht allerdings nur hinsichtlich des Ermessensmissbrauchs bzw. der Ermessensüberschreitung nachprüfbar. Die Aussetzungsentscheidung entfaltet also jedenfalls dann nicht die Wirkung des § 396 Abs. 3 AO, wenn sie nichtig oder willkürlich mit dem alleinigen Zweck angeordnet wurde, das Ruhen der Verjährung zu bewirken.[7] Insoweit kann nur in Extremfällen ein Ausschluss der verjährungshemmenden Wirkung angenommen werden.

[4] Jäger, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 396 AO Rz. 58.
[5] S. Rz. 4; Jäger, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 396 AO Rz. 58.
[6] AG Münster v. 12.6.2003, 14 Cs 45 Js 1141/01, wistra 2004, 195.
[7] LG Cottbus v 14.6.2010, 22 WiQs 16/10; vgl.auch Gehm, NZWiSt 2012, 244, 248f. m. w. N.

4.2.2 Dauer des Ruhens

 

Rz. 28

Die verjährungshemmende Wirkung tritt mit dem Tag ein, an dem die Aussetzungsentscheidung erlassen bzw. aktenkundig gemacht wird.[1]

Die Bekanntgabe der Entscheidung ist für den Eintritt der Rechtswirkung wie bei der Einleitung des Strafverfahrens[2] nicht erforderlich.[3]

 

Rz. 28a

Die verjährungshemmende Wirkung endet an dem Tag, an dem die Ermittlungen fortgeführt werden (s. Rz. 25), bzw. nach § 396 Abs. 1 AO an dem Tag, an dem das Besteuerungsverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist.[4]

Eine Erweiterung der verjährungshemmenden Wirkung bis zu dem Tag, an dem die Ermittlungsbehörden oder Strafgerichte vom Abschluss des Besteuerungsverfahrens Kenntnis erlangen, hat keine gesetzliche Grundlage.[5] Es ist Sache der Ermittlungsbehörden bzw. der Strafgerichte, die Verfahren zu überwachen.

 

Rz. 29

Durch die Aussetzung nach § 396 AO kann die Verjährungsfrist infolge der in der Praxis festzustellenden erheblichen Länge der finanzgerichtlichen Verfahren weit über das gesetzliche Normalmaß hinaus verlängert werden. Im Fall des durch die Aussetzung ausgelösten Ruhens der Verjährung gibt es keine absolute Höchstdauer der Strafverfolgungsverjährung. Die für den Fall der Verjährungsunterbrechung getroffene Regelung des § 78c Abs. 3 S. 2 StGB gilt nicht.[6]

[1] S. Rz. 19f.; Jäger, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 396 AO Rz. 60.
[3] Jäger, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 396 AO Rz. 60; Seipl, in Gosch, AO/FGO § 396 AO Rz. 30.1 und 37.
[4] Jäger, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 396 AO Rz. 61; Seipl, in Gosch, AO/FGO § 396 AO Rz. 37.
[5] Hellmann, in HHSp, AO/FGO, § 396 AO Rz. 84; zur Auslegung des § 396 AO s. Rz. 4.
[6] Jäger, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 396 AO Rz. 57; Pflaum, in MüKoStPO, 1. Aufl. 2018, § 396 AO Rz. 28; Meine, wistra 1986, 58; Maier, DStR 1988, 25; OLG Karlsruhe v. 14.12.1984, 3 Ws 138/84, wistra 1985, 168; BayObLG v. 22.2.1990, 4 St 216/89, wistra 1990, 203; OLG Karlsruhe v. 8.3.1990, 2 Ss 222/89, wistra 1990, 205; nicht eindeutig BGH v. 19.10.1987, 3 StR 589/86, wistra 1988, 263; a. A. Grezesch, wistra 1990, 289.

4.2.3 Umfang des Ruhens

4.2.3.1 Beschuldigte

 

Rz. 30

Entsprechend § 78c Abs. 4 StGB tritt die verjährungshemmende Wirkung des § 396 AO nur für das jeweilige Steuerstrafverfahren ein, d. h. nur hinsichtlich der Personen, gegen die sich dieses Verfahren richtet.

4.2.3.2 Steuerstraftat

 

Rz. 31

Streitig ist, ob das Ruhen der Verjährung nur hinsichtlich der Steuerhinterziehung eintritt[1] oder auch hinsichtlich mit der Steuerhinterziehung begangener allgemeiner Straftaten, also hinsichtlich der gesamten Tat im verfahrensrechtlichen Sinne.[2]

[1] Str. s. Rz. 6c; so Baumann, BB 1976, 753; Brenner, BB 1980, 1321; Schauf, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 396 AO Rz. 94f.
[2] § 264 StPO. So z. B. Jäger, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 396 AO Rz. 59; Schaefer, in BeckOK AO, § 396 AO Rz. 48; Pflaum, in MüKoStPO, 1. ...

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