2.1 Besichtigungsrecht

 

Rz. 5

Die Finanzbehörde ist nach § 395 S. 1 AO befugt, als Beweismittel beschlagnahmte oder sonst sichergestellte Gegenstände[1] zu besichtigen, um ggf. im Einziehungsverfahren[2] tätig werden zu können. Selbstverständlich ist insoweit das Recht, Proben oder Analysen zu nehmen und zu fertigen, wenn dies für das Strafverfahren von Bedeutung sein kann.[3]

[3] Randt, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 395 AO Rz. 12.

2.2 Akteneinsichtsrecht

 

Rz. 6

Das Akteneinsichtsrecht der Finanzbehörde entspricht inhaltlich dem Akteneinsichtsrecht des Verteidigers[1] nach § 147 Abs. 1 StPO, wobei allerdings die Einschränkungen des § 147 Abs. 2 StPO nicht gelten (s. Rz. 4). Es entsteht mit der Begründung der finanzbehördlichen Rechtsstellung (s. Rz. 1) und endet mit dem rechtskräftigen Abschluss des Steuerstrafverfahrens, ggf. besteht es auch darüber hinaus, wenn die Finanzbehörde ein dem § 385 AO entsprechendes Interesse geltend machen kann, z. B. die Festsetzung von Hinterziehungszinsen.[2]

 

Rz. 6a

Das Akteneinsichtsrecht erstreckt sich auf alle Ermittlungsakten.[3] Die Finanzbehörde ist nach § 395 S. 1 AO befugt zur Einsicht in Akten,

  • die der Staatsanwaltschaft vorliegen und im Fall der Anklageerhebung dem Gericht vorzulegen wären,
  • die dem Gericht vorliegen.[4]

Die Handakten der Staatsanwaltschaft unterliegen dem Akteneinsichtsrecht der Finanzbehörde nicht, soweit sie nicht dem Gericht vorzulegen sind.[5]

 

Rz. 6b

Das Akteneinsichtsrecht kann von jedem Amtsträger wahrgenommen werden, der nach der inneren Organisation der Finanzbehörde[6] dazu berechtigt ist oder den die Finanzbehörde hierfür bestimmt.[7]

 

Rz. 7

Das Akteneinsichtsrecht berechtigt die Finanzbehörde, die ihrer Meinung nach für ihre Mitwirkung benötigten Aktenauszüge und Kopien zu fertigen.[8]

[2] S. Vor §§ 385408 AO Rz. 11f.; so Hilgers-Klautzsch, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 395 AO Rz. 3-3.2, 15; Seipl, in Gosch, AO/FGO, § 395 AO Rz. 3; enger Brandenstein/Tsambikakis, in Flore/Tsambikakis, Steuerstrafrecht, 2. Aufl. 2016, § 395 AO Rz. 17; weitergehend wegen steuerlicher Aspekte – s. aber Rz. 3a – Randt, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 395 AO Rz. 5; Seipl, in Gosch, AO/FGO, § 395 AO Rz. 5.
[3] Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl. 2022, § 147 StPO Rz. 13ff.; Hilgers-Klautzsch, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 395 AO Rz. 10–13.
[5] Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl. 2022, § 147 StPO Rz. 13ff.; Hilgers-Klautzsch, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 395 AO Rz. 13; Klein/Jäger, AO, 16. Aufl. 2022, § 395 Rz. 3.
[7] Franzen, DStR 1987, 534; Seipl, in Gosch, AO/FGO, § 395 AO Rz. 5.
[8] BGH v. 29.5.1963, StB 5/63, BGHSt 18, 369, 371; Randt, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 395 AO Rz. 9.

2.3 Zeitpunkt und Dauer der Rechtsausübung

 

Rz. 8

Der Rechtsanspruch der Finanzbehörde auf Einsichtnahme oder Besichtigung kann in jedem Stadium des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens (s. Rz. 4) und des gerichtlichen Verfahrens sowie zu jedem Zeitpunkt ausgeübt werden. Einsichtnahme und Besichtigung sind demgemäß auch wiederholbar, wenn die Finanzbehörde dies für geboten hält.[1]

 

Rz. 9

Zeitpunkt und Dauer der finanzbehördlichen Einsichtnahme und Besichtigung sind unter dem Gesichtspunkt des Normzwecks (s. Rz. 1) zu bestimmen. Sie unterliegen damit letztlich nur dem Gestaltungsrecht der Finanzbehörde.

Die Finanzbehörde darf allerdings ihr Recht nicht missbräuchlich ausüben. Dies kann der Fall sein, wenn in der gerichtlichen Hauptverhandlung[2] die Gewährung der Akteneinsicht zu einer verfahrensbeeinträchtigenden Unterbrechung führen würde.[3] In einem solchen Fall kann einschränkend ein Missbrauch allerdings nur dann angenommen werden, wenn Staatsanwaltschaft oder Strafgericht im Rahmen ihrer Informationspflichten nach §§ 403, 407 AO der Finanzbehörde rechtzeitig Gelegenheit gegeben haben, ihre Rechte so wahrzunehmen, dass eine Verfahrensbeeinträchtigung vermieden worden wäre. Werden die besonderen Rechte der Finanzbehörde von der Staatsanwaltschaft oder den Strafgerichten dagegen bei der Termins- bzw. Verfahrensgestaltung unberücksichtigt gelassen, so kann die Rechtsausübung der Finanzbehörde nicht missbräuchlich sein.

[1] Hilgers-Klautzsch, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 395 AO Rz. 16; Randt, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 395 AO Rz. 6.
[3] Hilgers-Klautzsch, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 395 AO Rz. 17; Randt, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 9. Aufl. 2023, § 395 AO Rz. 6.

2.4 Ort der Rechtsausübung

 

Rz. 10

Die Besichtigung beschlagnahmter bzw. sichergestellter Gegenstände (s. Rz. 5) hat durch die Amtsträger der Finanzbehörde stets am Ort der Aufbewahrung zu erfolgen.[1]

 

Rz. 11

Wird die Akte in Papierform geführt, kann die Akteneinsicht durch die Finanzbehörde (s....

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