Rz. 38

Art. 83 Abs. 7 der EU-DSGVO enthält eine Öffnungsklausel, nach der es den Einzelstaaten obliegt, zu regeln, ob und in welchem Umfang gegen Behörden und andere öffentliche Stellen Geldbußen verhängt werden können.[1]

 

Rz. 39

Vom Ausgangspunkt der Geltung der EU-DSGVO gegenüber öffentlichen wie nicht-öffentlichen Stellen und dem Ziel, das Datenschutzrecht umfassend durchzusetzen, erscheint die Möglichkeit, neben der Abhilfebefugnis des Art. 58 Abs. 2 EU-DSGVO auch Bußgelder gegen Behörden zu verhängen, zunächst schlüssig. Bei genauerer Betrachtung ist jedoch zu berücksichtigen, dass dem deutschen Rechtsverständnis die Verhängung von Geldbußen gegen Behörden fremd ist. So ist das OWiG ausschließlich auf Personen des Privatrechts anwendbar[2] und auch das BDSG erfasst nur Verstöße Privater. Das deutsche Rechtsverständnis ist vielmehr vom Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, der verwaltungsinternen Kontrolle, bestehenden effektiven Rechtsschutz i. S. d. Art. 19 Abs. 4 GG sowie der Möglichkeit der Amtshaftung geprägt.[3] Davon ausgehend ist es naheliegend, dass die Verhängung einer Geldbuße wegen Verstoßes gegen die EU-DSGVO durch die Aufsichtsbehörde gegen eine andere Behörde – u. U. womöglich desselben Rechtsträgers – wenig zielführend erscheint. Mithin ist es im Rahmen der Wahrung der mitgliedstaatlichen Souveränität folgerichtig, dem Gesetzgeber die Möglichkeit einzuräumen, die Verhängung von Geldbußen gegen Behörden und andere öffentliche Stellen auszuschließen.[4]

 

Rz. 40

Es kann allerdings nicht verkannt werden, dass die über die Abhilfebefugnis des Art. 58 Abs. 2 EU-DSGVO hinausgehende Verhängung einer Geldbuße auch gegenüber Behörden und anderen öffentlichen Stellen der effektiveren Durchsetzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung förderlich gewesen wäre. Schließlich ist in der Rechtswirklichkeit nicht immer davon auszugehen, dass sich jede öffentliche Stelle unmittelbar und umfassend an den Regelungen der EU-DSGVO orientieren und den Weisungen der zuständigen Aufsichtsbehörde jederzeit und ohne Abstriche Rechnung tragen wird.[5]

 

Rz. 41

Von der Öffnungsklausel in Art. 83 Abs. 7 der Verordnung (EU) 2016/679 hat der nationale Gesetzgeber in Form des § 384a Abs. 4 AO entsprechend dem deutschen Rechtsverständnis dahingehend Gebrauch gemacht, dass im Anwendungsbereich der AO gegen Finanzbehörden und andere öffentliche Stellen keine Geldbußen nach Art. 83 Abs. 46 der Verordnung (EU) 2016/679 verhängt werden können.

 

Rz. 42

Daraus, dass der Wortlaut des § 384a Abs. 4 AO auf „Finanzbehörden und andere öffentliche Stellen“ abstellt und somit im Gegensatz zu Art. 83 Abs. 7 der Verordnung (EU) 2016/679 nicht pauschal auf "Behörden und andere öffentliche Stellen"“, wird man nicht den Schluss ziehen dürfen, dass gegenüber Behörden, die nicht Finanzbehörden sind, die Verhängung von Geldbußen zulässig ist. Vielmehr spricht das deutsche Rechtsverständnis dagegen und es gibt auch keine Belege, dass der Gesetzgeber eine entsprechende Aussage treffen wollte. Vielmehr dürften Nicht-Finanzbehörden vom Terminus "andere öffentliche Stellen" mit erfasst werden. Warum der Gesetzgeber insoweit in der EU-DSGVO einen von der Verordnung (EU) 2016/679 abweichenden Wortlaut wählte, erschließt sich allerdings auch aus den Gesetzgebungsmaterialien nicht.

 

Rz. 43

Im Gegensatz zu "öffentlichen Stellen" handelt es sich gem. § 6 Abs. 1d AO um "nicht-öffentliche Stellen" bei natürlichen und juristischen Personen, Gesellschaften und andere Personenvereinigungen des privaten Rechts. Diese Stellen sind nicht von § 384 Abs. 4 AO erfasst, so dass gegen Sie die Verhängung einer Geldbuße gem. Art. 83 der Verordnung (EU) 2016/679 möglich ist.

Von diesem Grundsatz gibt es allerdings einige bedeutende Ausnahmen:

  • Als öffentliche Stellen gelten auch privatrechtlich organisierte Vereinigungen der öffentlich-rechtlich organisierten Einrichtungen des Bundes, der Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände, der bundesunmittelbaren Körperschaften, der Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie sonstiger der Aufsicht der Länder unterstehender juristischer Personen des öffentlichen Rechts.[6]
  • Als öffentliche Stellen gelten weiterhin – ungeachtet der Beteiligung nicht-öffentlicher Stellen – Vereinigungen des privaten Rechts von öffentlichen Stellen des Bundes und der Länder, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen.[7]
  • Nimmt eine nicht-öffentliche Stelle hoheitliche Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr, ist sie insoweit öffentliche Stelle im Sinne dieses Gesetzes und wird von § 384a Abs. 4 AO erfasst.[8]
 

Rz. 44

Von praktischer Bedeutung ist allerdings, wie weit der Terminus "andere öffentliche Stellen" reicht. Dies ist insb. fraglich im Hinblick auf Unternehmen, die nach nationalem Recht eine als öffentlich-rechtlich anzusehenden Rechtsform haben, die aber im Wettbewerb stehen. Für die Frage, ob es sich um eine "andere öffentliche Stellen" oder im Gegensatz dazu um ein "Unternehmen" handelt, ist der europarechtliche Zusammen...

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