Rz. 65

Durch § 379 Abs. 2 Nr. 1a AO wird ein Verstoß gegen die sich aus § 144 AO ergebenden Aufzeichnungspflichten sanktioniert.[1] Die Aufzeichnungen i. S. d. § 144 AO dienen zur Kontrolle der Betriebsvorgänge beim Unternehmer, da durch sie eine Nachkalkulation möglich wird. Darüber hinaus bildet das Warenausgangsbuch die Grundlage für Kontrollmitteilungen gem. § 194 Abs. 3 AO, um bei dem Bezieher der Ware die vollständige Erfassung des Wareneingangs überprüfen zu können. § 144 AO verpflichtet deshalb gewerbliche Unternehmer, die Großhandelsgeschäfte tätigen, sowie Land- und Forstwirte jene Waren unter Angabe des Abnehmers aufzuzeichnen, die an andere gewerbliche Unternehmer zur Weiterveräußerung oder zum Verbrauch als Hilfsstoffe geliefert werden.

 

Rz. 66

Die Sanktionierung der Verstöße gegen die Aufzeichnungspflicht durch § 379 Abs. 2 Nr. 1a AO ist erforderlich, da diese nicht von § 379 Abs. 1 AO erfasst werden. Betreibt ein Großhändler z. B. ein System mit anonymisierten Kunden, so sind seine Aufzeichnungen ggf. nicht unrichtig, da er seine Warenverkäufe ordnungsgemäß bucht und versteuert. Die Verletzung der Aufzeichnungspflicht kann jedoch eine Beihilfe zur Steuerhinterziehung des Abnehmers (und späteren Wiederverkäufers) darstellen. Da in solchen Fällen jedoch häufig aufgrund der Anonymisierung die Hinterziehung des Haupttäters nicht nachweisbar ist, kann auch keine Bestrafung wegen der akzessorischen Beihilfe erfolgen. Folgerichtig wurde durch § 379 Abs. 2 Nr. 1a AO die Sanktionierung der Verletzung der Aufzeichnungspflicht des Warenausgangs ermöglicht.

 

Rz. 67

Nach dem klaren Wortlaut des § 144 Abs. 1 und 2 AO entfällt die Aufzeichnungspflicht, wenn nicht erkennbar ist, dass die Waren dem Zweck der Weiterveräußerung dienen, als Hilfsstoffe verbraucht werden sollen oder die Waren zur gewerblichen Weiterverwendung bestimmt sind. Insoweit ist der in-dubio-Grundsatz zu berücksichtigen.[2]

 

Rz. 68

Der Umfang der Aufzeichnungspflichten ergibt sich aus § 144 Abs. 3 AO, auf den § 379 Abs. 2 Nr. 1a AO zwar nicht ausdrücklich verweist, der aber die gesetzliche Konkretisierung der in Abs. 1 und 2 angesprochenen Aufzeichnung des Warenausgangs enthält. Folglich stellt jeder Verstoß gegen die Vorgaben des Abs. 3 – selbst wenn es sich lediglich um ein fehlendes oder fehlerhaftes Rechnungsdatum handelt – eine Ordnungswidrigkeit dar. In der Praxis wird am häufigsten gegen die Regelung des § 144 Abs. 3 Nr. 2 AO verstoßen, wonach der Name oder die Firma des Abnehmers sowie seine Anschrift zwingend in den Aufzeichnungen des Großhändlers enthalten sein müssen. Durch die sich daraus ergebende Anonymisierung der Rechnungen soll dem Einzelhändler die Möglichkeit gegeben werden, eine klassische Doppelverkürzung zu begehen, indem er weder die jeweiligen Einkäufe noch die darauf entfallenden Einnahmen erfasst und letztendlich die darauf entfallenden Steuern hinterzieht. In diesen Fällen ist es i. d. R. nicht möglich, die Steuerhinterziehung des Einzelhändlers aufzudecken, da seine Person trotz Ermittlungen durch die Strafverfolgungsbehörden unbekannt bleibt. Dementsprechend kann auch der Beihilfe leistende Großhändler nicht nach § 370 AO belangt werden, da durch die Anonymisierung die Hinterziehung des Haupttäters nicht nachweisbar ist. Eine Bestrafung wegen der akzessorischen Beihilfe ist mithin nicht möglich. Folgerichtig sanktioniert § 379 Abs. 2 Nr. 1a AO jede Verletzung der Aufzeichnungspflicht des Warenausgangs.

Dies ergibt sich auch aus dem Sinn und Zweck des § 379 Abs. 2 Nr. 1a AO, da nur auf diesem Wege eine Kontrolle der Betriebsvorgänge abgesichert werden kann. Ein Verstoß gegen § 3 OWiG liegt darin nicht.[3]

 

Rz. 68a

Die Anwendbarkeit der Aufzeichnungspflicht ist auch unabhängig vom jeweiligen Rechnungsbetrag.[4] Dies ergibt sich schon aus dem Sinn und Zweck des § 379 Abs. 2 Nr. 1a AO, da anderenfalls durch die Behauptung einer Vielzahl von Verkäufen im Bagatellbereich die Aufzeichnungspflichten ausgesprochen einfach zu umgehen und somit die Regelung weitestgehend entwertet wäre. Darüber hinaus ergibt sich dies auch aus dem Begriff der "Aufzeichnung", da es sich dabei um eine dauerhaft verkörperte Erklärung über Geschäftsvorfälle in Papierform oder in elektronischer Form handelt[5], und für Aufzeichnungen keine Bagatellregelungen vorhanden sind, die u. U. im Rahmen des § 379 Abs. 2 Nr. 1a AO zu berücksichtigen wären. Für Rechnungen bestehende Bagatellregelungen sind insoweit nicht übertragbar, da es sich bei Rechnungen zwar um Belege handelt, sie aber gerade nicht zu den Aufzeichnungen gehören. Dementsprechend regelt der AEAO zu § 144 AO auch, dass Erleichterungen für die Ausstellung von Rechnungen – wie z. B. § 33 UStDV – gerade keine Anwendung auf die Aufzeichnungspflichten des § 144 AO finden.[6]

 

Rz. 68b

Kommt es zu mehreren Verstößen gegen die sich aus § 144 AO ergebende Aufzeichnungspflicht, da entsprechend einem systematischen Vorgehen z. B. in größerem Umfang die vom Großhändler geführten Aufzeichnungen über den Ware...

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