Rz. 17

Den unterschiedlichen Definitionsansätzen kommt in der Praxis allerdings nur eine untergeordnete Bedeutung zu, da die Feststellung von Leichtfertigkeit unter umfassender Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls dem Tatrichter obliegt.[1] Insoweit wäre z. B. zu berücksichtigen, dass das Fehlen einer Einnahme von 20.000 EUR einem Kleinunternehmen i. d. R. auffallen muss, nicht hingegen in einem Großbetrieb. Die korrekte Behandlung eines komplexeren Steuervorgangs ist hingegen eher von der Steuerabteilung eines Großbetriebs als von einem Einzelunternehmer ohne entsprechende fachliche Hilfe zu erwarten. Darüber hinaus muss ein versierter Kaufmann mit den wesentlichen Steuergesetzen vertraut sein[2] und ist daher anders zu beurteilen als ein einfacher Stpfl., der wiederum anders zu beurteilen ist als ein Steuerberater, der noch höheren Sorgfaltsanforderungen zu genügen hat.[3] Das zentrale Problem der Feststellung der Leichtfertigkeit ist somit die tatrichterliche Zuordnung des konkret einzuhaltenden Sorgfaltsmaßstabs sowie die Frage, ob die Person nach ihren individuellen Fähigkeiten und Kenntnissen in der Lage war, diesen Maßstäben gerecht zu werden. Insoweit besteht in der Rechtsanwendung die Gefahr, dass bei einem Fachmann ein zu strenger und bei einem Laien ein zu milder Maßstab angelegt wird.[4]

 

Rz. 18

Da die Feststellung, ob ein Verhalten im konkreten Fall einfach fahrlässig und damit straflos oder leichtfertig und damit ordnungswidrig ist, stark von der tatrichterlichen Entscheidung geprägt ist, können insoweit statt einer allgemeingültigen Formel lediglich kasuistische Hinweise gegeben werden.[5]

 

Rz. 19

Erstellt der Stpfl. z. B. selbst die Buchführung so unsorgfältig, dass erkennbar ist, dass Einnahmen und/oder Ausgaben nur unvollständig erfasst sind, spricht dies aufgrund der deutlichen Gefahr einer Steuerverkürzung für Leichtfertigkeit bei der Abgabe der darauf basierenden Steuererklärung.[6] Ebenso dürfte (zumindest) Leichtfertigkeit zu bejahen sein, wenn z. B. im Rahmen einer früheren Veranlagung oder Betriebsprüfung ein Fehler bereits aufgedeckt wurde und derselbe Fehler erneut zur Steuerverkürzung führt.

 

Rz. 20

Hat der Stpfl. hingegen Zweifel, so muss er fachkundigen Rat bei der Finanzbehörde oder bei einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe einholen. Tut er dies nicht oder handelt er gegen die erhaltene Auskunft, so handelt er i. d. R. leichtfertig. Das Befragen einer Buchhaltungshelferin genügt insoweit jedoch nicht.[7]

Weiß der Stpfl., dass verschiedene Beurteilungsmöglichkeiten bestehen, und macht er sich ohne Erkundigung und ohne ausreichende eigene Überlegung einfach die Auffassung zu Eigen, die ihm am günstigsten erscheint, so handelt er ebenfalls leichtfertig.[8]

Zieht der Stpfl. aufgrund bestehender Zweifel hingegen Erkundigungen ein, so muss er sich auch in der Folge über eventuelle Änderungen steuerlicher Pflichten laufend informieren.[9]

 

Rz. 21

Beruft sich der Stpfl. darauf, dass er keine Zweifel hatte und somit nicht zur Einholung fachkundigen Rats verpflichtet war, so wird durch den Tatrichter zu klären sein, ob es sich insoweit um eine Schutzbehauptung handelt.[10] Die diesbezügliche Entscheidung wird sich vor allem zu orientieren haben an der Vorbildung des Stpfl. und seiner beruflichen Stellung.[11] Insoweit geht es mit Sicherheit zu weit, durch die Statuierung einer nahezu umfassenden Erkundigungspflicht eine faktische Pflicht zur regelmäßigen Inanspruchnahme eines Steuerberaters zu begründen.

 

Rz. 22

Der Stpfl. hat die Möglichkeit, die Wahrnehmung seiner steuerlichen Pflichten zu delegieren. Überträgt er sie auf einen Steuerberater, so darf er i. d. R. darauf vertrauen, dass der Steuerberater die Steuererklärung richtig und vollständig vorbereitet, sofern der Stpfl. ihm die für die Erstellung der Erklärung erforderlichen Informationen vollständig übermittelt hat.[12] Aber selbst wenn er einen Steuerberater beauftragt, befreit ihn dies nicht von der Verpflichtung, die vom Steuerberater erstellte Erklärung selbst – zumindest stichprobenhaft – zu überprüfen und ggf. Zweifelsfragen nachzugehen.[13] Tut er dies nicht, so hat er die bei der Erstellung einer Steuererklärung erforderliche Sorgfalt in grobem Maße missachtet.

Darüber hinaus muss der Stpfl. selbstverständlich den Steuerberater über seine steuerlich relevanten Verhältnisse zutreffend unterrichten, die erforderlichen Unterlagen vollständig vorlegen und erbetene Auskünfte gewissenhaft erteilen.[14] Tut er dies, so ist dem Stpfl. die unerkannte Missverständlichkeit einer Bescheinigung von einer zuverlässigen Stelle (z. B. Versorgungswerk, städtisches Klinikum) nicht zuzurechnen.[15]

 

Rz. 23

Der Stpfl. handelt leichtfertig, wenn er die zur Weiterleitung an die Finanzbehörden vorgesehenen Unterlagen blindlings unterschreibt oder seinem steuerlichen Berater ein blanko unterschriebenes Formular überlässt, das dann ohne weitere Überprüfung der Finanzbehörde übersandt wird.[16]

Erkennt der Stpfl. Fehlleistungen des Berat...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge