Rz. 198

In der Praxis bildete die Ankündigung von steuerlichen Ermittlungshandlungen durch die Finanzbehörde den Hauptgrund für die Abgabe der Selbstanzeigeerklärung. Durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz wurde im Jahr 2011 die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung als selbstständiger Ausschlussgrund in § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a AO eingefügt, sodass der Ausschlussgrund des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1c AO nur noch in wenigen Fällen zur Anwendung kommen wird.

Die steuerliche Prüfung i. S. v. § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1c AO ist jede zum Zweck der gesetzmäßigen Steuerfestsetzung und -erhebung durchgeführte Ermittlungsmaßnahme der Finanzbehörde, insbesondere die Ermittlung, die zur Nachprüfung von Angaben stattfindet, die im Besteuerungsverfahren über Besteuerungsgrundlagen gemacht wurden.[1] Der Begriff wird somit allgemein weit ausgelegt.[2]

 

Rz. 199

Bei der steuerlichen Prüfung wird es sich i. d. R. um eine Außenprüfung nach §§ 193ff. AO handeln, deren Anordnung nach § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a AO bereits einen selbstständigen Ausschlussgrund darstellt. Für die Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1c AO ist es unerheblich, ob die Außenprüfung turnusmäßig oder aufgrund besonderer Umstände als Sonderprüfung erfolgt. Dies gilt auch, wenn sie zugleich zur Ermittlung von "Richtsätzen", d. h. von Branchenvergleichszahlen, dient. Eine ausschließliche Richtsatzprüfung, die nicht unmittelbar als Erkenntnisgrundlage für ein konkretes Besteuerungsverfahren dienen soll, erzeugt jedoch keine Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1c AO. Die ebenfalls der Sachverhaltsaufklärung im Einzelfall dienende LSt- oder USt-Nachschau wird seit dem 1.1.2015 von § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1e AO erfasst (vgl. Rz. 130ff.).

 

Rz. 200

Steuerliche Prüfungen sind aber auch alle Ermittlungshandlungen im gesamten Besteuerungsverfahren, die zur Aufklärung einzelner Sachverhalte bestimmt sind.[3] Diese können erfolgen im Rahmen

  • der "Vorfeldermittlungen" der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle, da diese Maßnahme vor allem steuerlicher Natur ist, solange kein Anfangsverdacht i. S. d. § 152 Abs. 2 StPO vorliegt[4];
  • des Steuerfestsetzungsverfahrens durch Augenscheinseinnahme gem. § 98 AO, z. B. die "betriebsnahe Veranlagung"[5], die Einsichtnahme in einzelne Unterlagen oder die Besichtigung des "Arbeitszimmers";
  • des Einspruchsverfahrens[6];
  • des Erhebungs- bzw. des Vollstreckungsverfahrens nach § 249 Abs. 2 AO. Hier wird der Straftatbestand der Steuerhinterziehung i. d. R. dadurch verwirklicht, dass unberechtigte Steuervorteile gewährt oder belassen worden sind[7], sodass steuerliche Ermittlungen hinsichtlich dieses Sachverhalts die Selbstanzeige ausschließen. Soweit eine Liquiditätsprüfung der Vorbereitung der Entscheidung über steuerliche Vergünstigungen dient (z. B. Gewährung einer Stundung oder eines Vollstreckungsaufschubs), kann sie auch einen Ausschlussgrund bilden.[8]
 

Rz. 201

Vor der Neufassung der Ausschlussgründe des § 371 Abs. 2 AO zum 1.1.2015 bestand weitestgehend Einigkeit, dass bei einer Steuerhinterziehung durch Finanzamtsangehörige, bei der diese ihre Befugnisse und Stellung zur Begehung der Tat missbrauchen, die Überprüfung der Veranlagungsarbeiten innerhalb eines FA durch die Innenrevision der Oberbehörde eine steuerliche Prüfung durch einen Amtsträger der Finanzbehörde i. d. S. darstellte.[9] Eine Selbstanzeige des Beamten nach Beginn der Innenrevision war daher nicht mehr strafbefreiend. Seit der Neufassung stellt der Wortlaut des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1c AO hingegen ausdrücklich auf die Außenprüfung ab. Dementsprechend ist fraglich, ob die obige Aussage zur Innenrevision weiterhin Bestand haben kann, da der Sperrgrund zwar weiter auf die steuerliche Prüfung fokussiert, gleichzeitig aber bzgl. der Reichweite ausdrücklich auf die "Außenprüfung" abstellt.[10] Allerdings würde dies voraussetzen, dass der Gesetzgeber insoweit sehenden Auges den Anwendungsbereich des Ausschlussgrundes eingeschränkt hat. Bei einer Gesamtbetrachtung der gesetzgeberischen Tätigkeiten erscheint es jedoch auch durchaus möglich, dass es sich insoweit lediglich um eine versehentliche Wortwahl handelt.

 

Rz. 202

Die Kontrollbefugnisse der Behörden der Zollverwaltung[11] gem. § 2 Abs. 1 i. V. m. §§ 3, 5 SchwarzArbG begründen hingegen keine Sperrwirkung nach § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1c AO, da die Beamten der Zollverwaltung lediglich zur Erfüllung ihrer Mitteilungspflicht nach § 6 Abs. 1 S. 1 SchwarzArbG eine Überprüfung auf Anhaltspunkte für steuerliche Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit Dienst- oder Werkleistungen vornehmen. Eine Prüfung, inwieweit im Einzelfall steuerliche Pflichten verletzt worden sind, steht hingegen nicht der Zollverwaltung, sondern den Landesfinanzbehörden zu, § 2 Abs. 1 S. 2 SchwarzArbG. Mithin handelt es sich nicht um eine steuerliche Prüfung i. S. d. § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1c AO.[12]

[1] BayObLG v. 17.9.1986, RReg 4 St 155/86, DStR 1987, 161; OLG Celle v. 27.3.2000, 2 Ws 33/ 00, wistra 2000, 278;

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