Rz. 105

Der Inhalt der Selbstanzeigeerklärung hat sich auf alle unverjährten Steuerhinterziehungen einer Steuerart zu erstrecken. Der Begriff der Steuerart ist in § 371 Abs. 1 AO nicht näher definiert. Der Gesetzgeber benutzte in den Materialien die Formulierungen "einzelne hinterzogene Steuer" bzw. "verkürzte Steuer" und stellt auf das Beispiel "Einkommensteuer" ab.[1] Es besteht insoweit weitgehende Einigkeit, dass sich die Steuerart[2] aus dem jeweiligen Steuergesetz ergibt, aus dem der durch die Steuerhinterziehung angegriffene oder verletzte Steueranspruch folgt. Mithin handelt es sich z. B. bei der Einkommen-, der Umsatz-, der Körperschaft-, der Gewerbe- sowie der Erbschaft- und Schenkungsteuer um unterschiedliche Steuerarten.[3] Auch bei dem Solidaritätszuschlag dürfte es sich um eine eigene Steuerart handeln, da er zwar an der festgesetzten Einkommen- und KSt anknüpft und folglich nicht selbstständig hinterziehbar ist, aber er in einem eigenständigen Gesetz, dem Solidaritätszuschlaggesetz[4] geregelt ist.[5] Insoweit ist allerdings die Besonderheit zu berücksichtigen, dass der Solidaritätszuschlag einen Annex zur Einkommensteuer darstellt, im Rahmen des § 371 Abs. 1 S. 1 AO hingegen nur die Besteuerungsgrundlagen nachzuerklären sind. Folglich bedarf der Solidaritätszuschlag keiner gesonderten Nacherklärung.[6]

Gesetze wie z. B. das Gesetz über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen (AStG), das Investmentsteuergesetz (InvStG) oder das Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) begründen hingegen keine eigene Steuerart.[7]

 

Rz. 105a

Insoweit darf allerdings nicht verkannt werden, dass die Orientierung am jeweiligen Steuergesetz – zugunsten der Praktikabilität – mitunter vielleicht zu sehr vereinfacht. Dies kann verdeutlicht werden an der Bauabzugsteuer i. S. d. § 48 EStG.

Ausgehend von der Rechtsprechung des BFH[8] könnte es angezeigt sein, die Bauabzugssteuer trotz ihrer Regelung im EStG als eigenständige Steuerart einzustufen. Dies ergibt sich einerseits daraus, dass nach Auffassung des BFH keine Akzessorietät der Bauabzugsteuer zur Körperschaftsteuerschuld des Bauleistenden besteht und es andererseits auch nicht auf die Steuerpflicht der Einkünfte des Bauleistenden in Deutschland ankommt.

 

Rz. 106

Für den Bereich der ESt ergibt sich aus der Orientierung am jeweiligen Steuergesetz, dass in der Selbstanzeige alle Einkunftsarten unabhängig von deren Erhebungsform vollständig erklärt werden müssen. Dementsprechend sind auch Kapitalerträge mit Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 6 EStG im Hinblick auf die Vollständigkeit der Selbstanzeige einheitlich im Rahmen der ESt mit zu erklären, unabhängig davon, ob sie aufgrund der Subsidiaritätsklausel des Abs. 8 einer anderen Steuerart zuzuordnen sind.[9]

Eine Beschränkung dahingehend, dass sich die Steuerart nur auf dieselbe Steuerart ein- und desselben Stpfl. bezieht, ist nach dem klaren Wortlaut des § 371 Abs. 1 AO nicht angezeigt.[10] Folglich ist eine Selbstanzeige z. B. nur vollständig, wenn der Täter sowohl die Hinterziehung der von ihm selbst geschuldeten ESt als auch die Teilnahme an der Einkommensteuerhinterziehung anderer Personen – z. B. im Zusammenhang mit einer verdeckten Gewinnausschüttung – offenbart. Eine andere Auslegung würde wieder zur partiellen Einführung der Teilselbstanzeige führen, die der Gesetzgeber gerade verhindern bzw. abschaffen wollte. Dementsprechend wird auch eine Selbstanzeige für mehrere Steuersubjekte abzugeben sein, wenn z. B. ein Stpfl. als Verantwortlicher für eine Mehrzahl von Personen- oder Kapitalgesellschaften Steuerhinterziehungen begangen hat.[11]

Ebenso dürfte auch das Verfahren zur einheitlichen und gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nicht eine andere Steuerart i. S. d. § 371 Abs. 1 AO darstellen.[12]

Folglich muss im Fall einer im Rahmen einer Personengesellschaft im Hinblick auf die gemeinsam erzielten Einkünfte von mehreren Gesellschaftern vorsätzlich falsch abgegebenen Feststellungserklärung, die sich im Hinblick auf die ESt auswirkt, diese im Rahmen einer auf die Steuerart ESt bezogenen Selbstanzeige miterklärt werden, damit Straffreiheit eintritt. Dies ergibt sich daraus, dass die gesonderten Einkunftsfeststellungen die Besteuerungsgrundlagen der ESt betreffen und damit – i. S. d. § 371 AO – Bestandteile dieser Steuerart sind.

Bei Beteiligung an mehreren Personengesellschaften müssen alle Personengesellschaften in der Selbstanzeige berücksichtigt werden, bzgl. derer Steuern hinterzogen wurden.

 

Rz. 106a

Im Hinblick auf die Besonderheiten des Erbschaftsteuerrechts ist zu berücksichtigen, dass der Erbe sich nach der Rechtsprechung bereits einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen strafbar macht, wenn er vorsätzlich seiner Pflicht aus § 30 Abs. 1 ErbStG nicht nachkommt und nicht innerhalb von einem Monat die Erbschaft anzeigt.[13] Daraus ergibt sich die Frage, welche Voraussetzungen eine Selbstanzeige insoweit erfüllen muss, um vollständig zu sein. Einerseits könnte lediglich die Nachholung der Erwerbsanzeige nach § 30 Erb...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge