Rz. 1

Unter der Gesetzesüberschrift des § 371 AO "Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung" werden zwei unterschiedliche Regelungen mit unterschiedlichem Rechtscharakter getroffen:

  • Zum einen regelt § 371 Abs. 1 bis 3 AO die eigentliche strafbefreiende Selbstanzeige des an einer Steuerhinterziehung nach § 370 AO Beteiligten (Rz. 5435a).
  • Zum anderen regelt § 371 Abs. 4 AO den Fall einer die Strafverfolgung hindernden "Fremdanzeige", die von einem nicht an der Tat Beteiligten mit strafrechtlicher Wirkung für einen tatbeteiligten Dritten erstattet wird (Rz. 436–468). Diese Regelung ist bei den Gesetzesänderungen im Jahr 2011 und zum 1.1.2015 unberührt geblieben.
 

Rz. 2

§ 371 Abs. 1 bis 3 AO[1] wurde durch Art. 2 Nr. 2 Schwarzgeldbekämpfungsgesetz v. 28.4.2011[2] mit Wirkung zum 2.5.2011 geändert. Ergänzend hierzu ist die Regelung des § 398a AO eingeführt worden. Diese Änderungen führten zu einer grundlegenden Umgestaltung der Selbstanzeige, indem z. B. die Teilselbstanzeige abgeschafft wurde, die Sperrgründe verschärft wurden und bei Hinterziehungen großen Ausmaßes (50.000 EUR) die Selbstanzeige nicht mehr strafbefreiend wirkte, sondern nur noch zu einer Einstellung des Verfahrens führen konnte.

Für bis zum 28.4.2011 bei der zuständigen Finanzbehörde eingegangene Selbstanzeigen galt § 371 Abs. 1–3 AO a. F. fort.[3] Danach, aber vor dem 1.1.2015 eingegangene Selbstanzeigen sind nach der durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz eingeführten Gesetzesfassung zu beurteilen.

Bereits mit Wirkung zum 1.1.2015 wurde § 371 Abs. 1 bis 3 AO durch Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung v. 22.12.2014[4] erneut geändert. Parallel wurde durch Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes auch § 398a AO grundlegend verändert. Dadurch wurden die Anforderungen an die Selbstanzeige teilweise weiter verschärft, indem z. B. die Nachzahlung nun auch die Hinterziehungszinsen umfassen muss und der Betrag, ab dem eine Selbstanzeige nur noch zu einer Einstellung des Verfahrens führen kann, auf 25.000 EUR abgesenkt wurde. Auf der anderen Seite wurde z. B. auch für die Bereiche der Umsatzsteuervoranmeldungen und der Lohnsteueranmeldungen die Teilselbstanzeige wieder eingeführt und es besteht wieder die Möglichkeit, trotz laufender Außenprüfung eine Selbstanzeige abzugeben.

 

Rz. 3

Im Hinblick auf die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige dürfte § 371 AO für die rechtsanwendende Praxis wohl die wichtigste Vorschrift des Steuerstrafrechts sein. Demgemäß wird auch vom Gesetzgeber eingeräumt, dass sich das Rechtsinstitut selbst in der Vergangenheit grundsätzlich bewährt hat[5] und es deshalb beibehalten werden soll.[6] Allerdings sollte im Wege der Änderungen durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz im Jahre 2011 und die damit verbundene "Erschwernis" der Selbstanzeige verhindert werden, dass die Selbstanzeige von Steuerhinterziehern erkennbar gerade nicht zur Rückkehr zur Steuerehrlichkeit genutzt wird, um alle Steuerhinterziehungen anzuzeigen, sondern im Rahmen einer "Hinterziehungsstrategie" missbraucht wird, um lediglich diejenigen Hinterziehungstatbestände anzuzeigen, die durch Medienveröffentlichungen bekannt geworden und damit besonders "entdeckungsgefährdet" sind.[7] Darüber hinaus sollte durch die im Jahr 2014 folgende teilweise Verschärfung der Regelungen der strafbefreienden Selbstanzeige zum 1.1.2015 eine (noch) konsequentere Bekämpfung der Steuerhinterziehung sichergestellt werden, dem Staat sollen Mehreinnahmen erschlossen und gesichert werden und es sollten sich aus der Neufassung im Jahre 2011 ergebende Probleme beseitigt werden.[8]

 

Rz. 4

Gem. § 3 des Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung sind die Änderungen zum 1.1.2015 in Kraft getreten, wobei der Gesetzgeber auf eine ausdrückliche Übergangsregelung verzichtet hat. Lediglich aus dem Bericht des Finanzausschusses[9] ergibt sich, dass die vor dem 1.1.2015 abgegebenen Selbstanzeigen, über deren Wirksamkeit erst nach diesem Datum entschieden wird, gem. § 2 Abs. 3 StGB an der aus Sicht des Betroffenen mildesten Regelung gemessen werden sollen. Mithin ist wie folgt zu differenzieren:

  • Wurde die Selbstanzeige vor dem 1.1.2015 abgegeben und das Verfahren auch vor diesem Datum – selbstverständlich nach § 371 AO in der bis zum 31.12.2014 geltenden Form – abgeschlossen, so findet § 371 AO in der neuen Form keine Anwendung. Die Verfahren sind aufgrund der Gesetzesänderung nicht wieder aufzunehmen.
  • Wurde die Selbstanzeige ab dem 1.1.2015 eingereicht, so ist ausschließlich § 371 AO in der neuen Form anwendbar.

Problematisch sind lediglich die Fälle, in denen die Selbstanzeige vor dem 1.1.2015 eingereicht wurde, das Verfahren aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen war. Gem. § 2 Abs. 3 StGB ist darauf abzustellen, welches Recht – § 371 AO in der alten oder in der neuen Form – für den Betroffenen günstiger ist.[10] Dabei ist zu berücksichtigen, dass § 371 AO in der bis zum 31.12.2014 geltenden Fassu...

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