Rz. 38

Nach Abs. 2 S. 2 steht es dem anfänglichen Fehlen des rechtlichen Grunds gleich, wenn der rechtliche Grund später wegfällt. Maßgeblich für die Ausfüllung des Tatbestandsmerkmals "später" ist der Zeitpunkt der Zahlung oder Rückzahlung. Nach der formellen Rechtsgrundtheorie fällt der rechtliche Grund weg, wenn der Steuerbescheid oder sonstige Verwaltungsakt i. S. v. § 218 Abs. 1 AO, der der Zahlung oder Rückzahlung zugrunde lag, aufgehoben oder geändert wird.[1] Nach der materiellen Rechtsgrundtheorie liegt ein Wegfall des rechtlichen Grunds vor, wenn der entstandene Anspruch durch Eintritt eines Ereignisses, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat[2], oder aus anderen Gründen nachträglich entfällt.[3] Nach der formellen Rechtsgrundtheorie entsteht der Erstattungsanspruch mit der Bekanntgabe des die Festsetzung des Anspruchs aufhebenden oder ändernden Verwaltungsakts[4], nach der materiellen Rechtsgrundtheorie zu dem Zeitpunkt, zu dem die Veränderung der Sach- oder Rechtslage wirksam wird.[5] Auch nach der materiellen Rechtsgrundtheorie setzt die Durchsetzung des Erstattungsanspruchs allerdings die Aufhebung oder Änderung entgegenstehender Verwaltungsakte voraus.[6]

 

Rz. 39

Der auf einem Verlustrücktrag nach § 10d Abs. 1 S. 1 EStG beruhende Erstattungsanspruch entsteht nicht schon mit Ablauf des Verlustabzugsjahrs, sondern erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums, in dem der Verlust entstanden ist.[7] Die Änderung der für das Abzugsjahr ergangenen Steuerfestsetzung[8] ist für den Entstehungszeitpunkt unerheblich, sodass der Erstattungsanspruch unabhängig davon mit Ablauf des Verlustentstehungsjahrs abgetreten werden kann.[9]

 

Rz. 40

Ein Erstattungsanspruch aufgrund zu hoher bzw. nicht geschuldeter Vorauszahlungen entsteht bereits im Zeitpunkt der Entrichtung der jeweiligen Vorauszahlung unter der aufschiebenden Bedingung, dass am Ende des Besteuerungszeitraums die geschuldete Steuer geringer als die Summe der geleisteten Vorauszahlungen ist.[10] Nach der formellen Rechtsgrundtheorie tritt die aufschiebende Bedingung zu dem Zeitpunkt ein, zu dem sich der Vorauszahlungsbescheid durch Erlass des Jahressteuerbescheids erledigt hat.[11] Nach der materiellen Rechtsgrundtheorie entsteht der Erstattungsanspruch unabhängig davon schon zu dem Zeitpunkt, zu dem die Höhe der Jahressteuer feststeht.[12] Allerdings kann der Erstattungsanspruch erst durchgesetzt werden, wenn der Vorauszahlungsbescheid aufgehoben oder geändert worden ist oder sich durch Erlass des Jahressteuerbescheids i. S. v. § 124 AO auf andere Weise erledigt hat.[13]

 

Rz. 41

Die sich aus einer Änderung der Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz ergebende Berichtigung der Umsatzsteuer[14] und ggf. auch des Vorsteuerabzugs[15] ist nach § 17 Abs. 1 S. 8 UStG für den Besteuerungszeitraum[16] vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist. Ist der Umsatz bereits in einem früheren Besteuerungszeitraum ausgeführt worden, bleibt die Steuer für diesen Zeitraum unberührt. Die Herabsetzung der Bemessungsgrundlage für den Vorsteuerabzug führt daher nicht zu einer Erhöhung der für den Zeitraum der Leistungserbringung geschuldeten Steuer oder zu einer Verringerung der für diesen gewährten Vorsteuervergütung, sondern zu einer Korrektur der Bemessungsgrundlage für den Berichtigungszeitraum.

Nach der Rspr. des VII. Senats des BFH soll dies allerdings nicht gelten, wenn das FA abgetretene Vorsteuerüberschüsse eines Voranmeldungszeitraums an den Zessionar ausgezahlt hat. In diesem Fall soll ein Rückzahlungsanspruch gegen den Zessionar entstehen, wenn und soweit der Vergütungsanspruch auf einem später gem. § 17 UStG berichtigten Vorsteuerabzug beruhte.[17] Damit soll dem Risiko begegnet werden, dass sich die Auszahlung des Vorsteuerüberschusses im Verhältnis zu dem Zedenten nicht mehr rückgängig machen lässt, weil dieser zwischenzeitlich insolvent geworden ist.[18] Begründet wird diese Einschränkung vom VII. Senat des BFH damit, dass § 17 UStG eine Sonderregelung gegenüber den zu einer Änderung der ursprünglichen Steuerfestsetzung führenden Änderungsvorschriften des § 164 Abs. 2 bzw. des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO darstelle, die sich daraus erkläre, dass Umsatzsteuer und Vorsteuer im Zeitpunkt der Ausführung der in Rechnung gestellten Leistung ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Vereinnahmung der Gegenleistung entstünden. Daraus folge, dass sich die Wirkung dieser Norm auf das Steuerrechtsverhältnis zwischen dem Stpfl. und dem Steuergläubiger beschränke und sich der Zessionar der vormaligen Umsatzsteuervergütung nicht darauf berufen könne, dass die Berichtigung die Wirksamkeit der vormaligen Festsetzung der Umsatzsteuervergütung unberührt lasse.[19] Der Vorsteuerabzug werde einem nach vereinbarten Entgelten besteuerten Unternehmer unter dem stillschweigenden Vorbehalt gewährt, dass der Umsatz tatsächlich ausgeführt werde. Eine für den Vorsteuerabzug gewährte Steuervergütung stehe daher – unausgesprochen – unter der auflösenden Be...

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