Rz. 61

Mit dem Einspruch ist stets der gesamte Verwaltungsakt angefochten, eine Teilanfechtung hinsichtlich einzelner Besteuerungsgrundlagen – also nach § 199 Abs. 1 AO die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die für die Steuerpflicht und die für die Bemessung der Steuer maßgebend sind – ist nicht zulässig. Demgemäß ergibt sich eine vollständige Überprüfungspflicht und die Pflicht zur einheitlichen Entscheidung über den gesamten Verfahrensgegenstand.

Nach § 367 Abs. 2a S. 1 AO kann die Finanzbehörde, sofern der angefochtene Verwaltungsakt inhaltlich teilbar ist, vorab über Teile des Einspruchs entscheiden, wenn dies sachdienlich ist. Diese Regelung ermöglicht es, im Interesse einer zügigen Rechtsschutzgewährung für den Beteiligten und des für die Behörde bestehenden allgemeinen Beschleunigungsgebots umfangreiche und zeitaufwendige Einspruchsverfahren von einzelnen abtrennbaren und einfach zu entscheidenden Teilbereichen zu entlasten.[1]  Sie ist in ihrer Zielsetzung damit vergleichbar mit dem finanzgerichtlichen Teilurteil nach § 98 FGO.[2]

 

Rz. 61a

Der Rechtsschutz insgesamt wird hierdurch nicht eingeschränkt, nur der Grundsatz der Gesamtüberprüfung in einem einstufigen Einspruchsverfahren und damit einhergehender Hemmung der Bestandskraft in vollem Umfang wird durch die Regelung des § 367 Abs. 2a AO modifiziert und durch ein zwei- ggf. auch mehrstufiges Verfahren ergänzt[3], das – nach dem im Gesetzeswortlaut erklärten eindeutigen gesetzgeberischen Willen - zu einer Teilbestandskraft führt.[4]  Die Überprüfung des Verfahrensgegenstands in vollem Umfang erfolgt nunmehr in getrennten Verfahren nacheinander.[5]

 

Rz. 61b

Durch diese Vorschrift kann die Finanzbehörde auch das Offenhalten von Einspruchsverfahren, wegen möglicher Rechtsänderungen, Musterprozessen, Verfassungsbeschwerden oder Normenkontrollverfahren , das dadurch ermöglicht wurde, dass die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens nach § 363 AO bisher stets das ganze Verfahren betraf, einschränken.[6]

 

Rz. 61c

Die Regelung des § 367 Abs. 2a AO schließt die Teilabhilfe durch den Erlass von ändernden oder ersetzenden Verwaltungsakten nicht aus.[7]

 

Rz. 62

Die Teileinspruchsentscheidung betrifft inhaltliche Teilbereiche innerhalb eines Verfahrensgegenstands und damit eines Einspruchsverfahrens. Der Erlass der Teileinspruchsentscheidung ist zu unterscheiden von der Trennung von Einspruchsverfahren, wenn mehrere Verwaltungsakte gemeinsam angefochten worden und damit mehrere Einspruchsverfahren anhängig sind. Hierzu trifft die AO – anders als § 73 FGO für das finanzgerichtliche Verfahren – keine ausdrückliche Regelung, da aber die Finanzbehörde Trägerin des Verfahrens ist und sie dadurch den Ablauf des Einspruchsverfahrens gestaltet, ist die getrennte Entscheidung über mehrere Verfahrensgegenstände in ihr Ermessen gestellt.

 

Rz. 63

Die Teileinspruchsentscheidung ist zu unterscheiden von der unvollständigen Einspruchsentscheidung, wenn die Finanzbehörde nicht über alle Streitfragen des erhobenen Rechtsschutzbegehrens entschieden hat.[8]  Eine Teileinspruchsentscheidung liegt nur vor, wenn die Finanzbehörde ausdrücklich deutlich macht, welche Teilkomplexe noch offen bleiben.

 

Rz. 64

Der Abschluss durch eine Teileinspruchsentscheidung setzt zunächst ein anhängiges und zulässiges Einspruchsverfahren voraus.[9]  Eine Teileinspruchsentscheidung kommt bei einem unzulässigen Einspruch nicht in Betracht, sondern dieser ist insgesamt als unzulässig zu verwerfen.[10]

 

Rz. 64a

Die Teileinspruchsentscheidung ist ihrer Rechtsnatur nach eine endgültige formelle Einspruchsentscheidung in der Sache[11], die vor der "End-Einspruchsentscheidung" in der Sache, also vorweg, ergeht. Hierdurch wird nur über einen Teilkomplex eines Rechtsschutzbegehrens sachlich entschieden. Die Rechtswirkungen einer Einspruchsentscheidung treten nur insoweit ein.

Der angefochtene Verwaltungsakt wird, sofern nicht fristgerecht ein Änderungsantrag gestellt oder eine Klage erhoben wird, mit dem Teilregelungsinhalt der Entscheidung bestandskräftig. Die Teileinspruchsentscheidung bewirkt also eine Teilbestandskraft des Verwaltungsakts hinsichtlich bestimmter Besteuerungsgrundlagen.[12]

 

Rz. 64b

Hinsichtlich der Rechtswirkungen, Änderbarkeit und des Rechtsschutzes, Form, Inhalt und Bekanntgabe ergeben sich keine Besonderheiten.[13]

[1] Krüger, DStZ 2009, 810.
[4] Zur Kritik an der Regelung s. z. B. Bartone, in Gosch, AO/FGO, § 367 AO Rz. 51.
[5] Steinger, in DStZ 2008, 674.
[6] AEAO Nr. 6.2 zu § 357 AO; a. A. Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 367 AO Rz. 62 m. w. N.
[7] Birkenfeld, in HHSp, AO/FGO, § 367 AO Rz. 481.
[9] Bartone, in Gosch, AO/FGO, § 367 AO Rz. 51; Birkenfeld, in HHSp, AO/FGO, § 367 AO Rz. 500; Hardtke, in Kühn/v. Wedelstädt, AO/FGO, 22. Aufl. 2018, § 367 AO Rz. 24.
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