1 Grundlagen

1.1 Begriff und Anwendungsbereich

 

Rz. 1

Die Hinzuziehung ist eine Verfahrenshandlung der das jeweilige Einspruchsverfahren durchführenden Finanzbehörde, durch die ein Dritter die Rechtsstellung eines Beteiligten nach § 359 Nr. 2 AO erlangt. Der Hinzuziehung entspricht inhaltlich die Beiladung im finanzgerichtlichen Verfahren nach § 60 FGO, sodass die hierzu ergangenen Entscheidungen entsprechend angewendet werden können.

 

Rz. 2

Die Hinzuziehung ist im Einspruchsverfahren möglich bzw. notwendig. In dem auf vorläufigen Rechtsschutz gerichteten Verfahren zur Aussetzung der Vollziehung scheidet sie wegen der Eilbedürftigkeit und der fehlenden Bindungswirkung der Entscheidung dagegen regelmäßig aus.[1]

[1] BFH v. 10.8.1978, VI B 41/77, BFHE 125, 356, BStBl II 1978, 584, zu § 60 FGO; BFH v. 5.5.1981, VIII B 26/80, BFHE 133, 285, BStBl II 1981, 574.

1.2 Zweck der Hinzuziehung

 

Rz. 3

Durch die Hinzuziehung werden Dritte, deren Rechte oder steuerrechtlichen Interessen durch den Ausgang des Verfahrens berührt werden, an dem betreffenden Einspruchsverfahren beteiligt, damit sie sich zum Gegenstand dieses Verfahrens, also dem angefochtenen Verwaltungsakt, äußern und ggf. zur Sachverhaltsaufklärung beitragen können, um auf die Entscheidung einzuwirken. Durch diese Beteiligung anderer Personen neben dem Einspruchsführer wird verhindert, dass in Fällen, die miteinander in Zusammenhang stehen und bei denen die Sach- und Rechtslage gleichgelagert ist, unterschiedliche Entscheidungen getroffen werden.[1] Damit wirkt sich die Vorschrift zugleich verfahrensvereinfachend aus, denn wegen der Bindungswirkung der Entscheidung für den Hinzugezogenen wird eine Häufung von Einspruchsverfahren vermieden.[2]

[2] Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 360 AO Rz. 1; Birkenfeld, in HHSp, AO/FGO, § 360 AO Rz. 32.

1.3 Arten der Hinzuziehung

 

Rz. 4

Die Hinzuziehung wird abhängig von dem Grund in verschiedene Arten eingeteilt. Zu unterscheiden ist zwischen

  • der einfachen Hinzuziehung nach § 360 Abs. 1 AO, die erfolgen kann, wenn die nach Steuergesetzen bestehenden rechtlichen Interessen Dritter durch die Einspruchsentscheidung berührt werden, und
  • der notwendigen Hinzuziehung nach § 360 Abs. 3 AO, die zu erfolgen hat, wenn Dritte an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Einspruchsentscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann.

Einen besonderen Hinzuziehungsgrund regelt § 174 Abs. 5 S. 2 AO, wenn die Möglichkeit einer widerstreitenden Steuerfestsetzung besteht.

 

Rz. 5

Eine mehrfache Hinzuziehung aus verschiedenen Gründen erfolgt nicht. Ein Stpfl. kann nur einmal als Hinzugezogener an diesem konkreten Einspruchsverfahren beteiligt sein. Auf den Grund der Hinzuziehung kommt es insoweit nicht an.[1] Eine aufgehobene Hinzuziehung kann aber erneut aus einem anderen Hinzuziehungsgrund erfolgen.[2]

1.4 Allgemeine Voraussetzungen der Hinzuziehung

1.4.1 Allgemeines

 

Rz. 6

§ 360 AO regelt die Voraussetzungen für die Hinzuziehung. Die Rechtswirkung der Hinzuziehung tritt auch dann ein, wenn ein Hinzuziehungsgrund tatsächlich nicht vorlag und in der finanzbehördlichen Hinzuziehungsanordnung nur fehlerhaft angenommen worden ist.

 

Rz. 6a

Das Steuergeheimnis steht einer Hinzuziehung nicht entgegen, da die Öffnung in dem gebotenen Umfang durch den Zweck der Hinzuziehung gerechtfertigt ist.[1] Das Interesse des Einspruchsführers an der Geheimhaltung seiner steuerlichen Verhältnisse ist bei der einfachen Hinzuziehung im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen. Da der Einspruchsführer vor Erlass der Hinzuziehungsanordnung zu hören ist, kann er ggf. durch die Rücknahme des Einspruchs die Hinzuziehung und damit die Offenbarung verhindern.

1.4.2 Anhängigkeit des Einspruchsverfahrens

 

Rz. 6b

Die Hinzuziehung nach § 360 AO setzt die Anhängigkeit des Einspruchsverfahrens, also die Einlegung des Einspruchs, voraus. Sie ist zulässig bzw. notwendig bis zum Abschluss des Einspruchsverfahrens, durch den die Anhängigkeit entfällt.

Das Einspruchsverfahren wird einerseits durch die Rücknahme- bzw. Erledigungserklärung des Einspruchsführers, andererseits durch Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung bzw. des Abhilfebescheids abgeschlossen. Danach kommt eine Hinzuziehung durch die Finanzbehörde nicht mehr in Betracht.[1]

 

Rz. 6c

Die Unzulässigkeit des Einspruchs schließt die Hinzuziehung nicht aus. Da aber die Rechtswirkungen der Hinzuziehung bei einer Verwerfung des Einspruchs als unzulässig nach § 358 AO nicht eintreten können, ist die Finanzbehörde hierzu bei einem offensichtlich unzulässigen Einspruch zur Hinzuziehung nicht verpflichtet.[2]

 

Rz. 6d

Ebenso unerheblich sind für die Hinzuziehung die Erfolgsaussichten des Einspruchs.[3]

[1] Koenig/Cöster, AO, 3. Aufl. 2014, § 363 Rz. 45; Bartone, in Gosch, AO/FGO, § 363 AO Rz. 12; Birkenfeld, in HHSp, AO/FGO, § 363 AO Rz. 48; BFH v. 5.5.1983, IV R 120/82, n. v.; a. A. - ohne nähere Begründung – Hardtke, in Kühn/v. Wedelstädt, AO, 22. Aufl. 2018, § 360 ...

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