Rz. 15

Eine Beschwer nach § 350 AO ist in jedem Fall gegeben, wenn eine belastende Regelung vorliegt[1] und die Belastung grundsätzlich oder hinsichtlich der Höhe bestritten wird. Hierbei ist es unerheblich, dass z. B. die Finanzbehörde die Steuerfestsetzung nach den Angaben in der Steuererklärung vorgenommen oder sonst einem Antrag inhaltlich entsprochen hat. Bis zum Eintritt der Bestandskraft eines Verwaltungsakts kann der Stpfl. jederzeit seine Rechtsmeinung oder ggf. Anträge ändern, um ein günstigeres Ergebnis zu erzielen bzw. auch eigene Fehler zu berichtigen.

 

Rz. 16

Für die Beschwer durch eine Steuerfestsetzung ist i. d. R. unmittelbar auf den festgesetzten Steuerbetrag abzustellen, nicht aber allgemein auf das geldwerte Interesse.[2] Die Belastung entfällt nicht dadurch, dass der Festsetzung kein nach § 254 Abs. 1 AO die Fälligkeit begründendes Leistungsgebot beigefügt ist, oder sich aufgrund der Steuerabrechnung durch die Verrechnung mit Vorauszahlungen, Steuerabzugsbeträgen oder Guthaben keine Zahllast bzw. sogar ein Erstattungsbetrag ergibt.[3]

Bei einem Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 AO besteht die Einspruchsbefugnis nur hinsichtlich der Verrechnungen und der Zahlungen, nicht aber hinsichtlich der Frage, ob der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis besteht.[4] Die Festsetzung des Anspruchs erfolgt gem. § 218 Abs. 1 AO durch einen entsprechenden gesonderten Verwaltungsakt, also i. d. R. durch den Steuerbescheid.

 

Rz. 17

Für die Annahme der Beschwer nach § 350 AO ist, anders als für die Klagebefugnis nach § 40 Abs. 2 FGO[5], der Inhalt der vom Einspruchsführer erhobenen Einwendungen bei einer Belastung durch die Regelung ohne Bedeutung. Auch regelungsneutrale Einwendungen, wenn z. B. trotz der Einwendungen die Regelungsaussage mit einer anderen Begründung inhaltlich unverändert bleiben würde, lassen u. E. die Beschwer nicht entfallen.[6] Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Einspruchsverfahren der vollständigen Überprüfung des den Verfahrensgegenstand bildenden Verwaltungsakts dient.[7] Demgemäß ist eine Einspruchsbegründung nicht zwingend vorgeschrieben.[8] Auch ohne Einspruchsbegründung wäre die Beschwer bei diesem belastenden Verwaltungsakt gegeben.[9] Es kann für die Zulässigkeit des Einspruchs nicht erheblich sein, dass eine nicht schlüssige Einspruchsbegründung gegeben wird, zumal im Hinblick auf die vollständige Prüfungspflicht die Aufdeckung anderer Rechtsfehler nicht ausgeschlossen ist und der Einspruchsführer seine Begründung jederzeit ergänzen oder umstellen kann.[10] Eine über die für die Einspruchseinlegung erforderlichen Mindestvoraussetzungen hinausgehende freiwillige Mehrleistung in Form der Einspruchsbegründung kann für die Zulässigkeit des Einspruchsverfahrens nicht schädlich sein. Sind die Einwendungen des Einspruchsführers unberechtigt, so ist der Einspruch unbegründet.

 

Rz. 17a

Eine Beschwer i. S. v. § 350 AO kann demgemäß auch dann angenommen werden, wenn der Einspruchsführer nur den Einwand der zu geringen Belastung durch den Verwaltungsakt erhebt, er also die Rechtmäßigkeit der Belastung dem Grunde nach nicht bestreitet, aber der Ansicht ist, dass diese zu gering sei und er weitergehend belastet werden müsse. Dieser Einwand kann insbesondere dann eine Beschwer darstellen, wenn die zu niedrige Belastung in anderen Bereichen nachteilige Auswirkungen haben kann.[11]

Dies können einmal nachteilige steuerliche Auswirkungen sein, z. B.:

  • durch den Bilanzzusammenhang für einen früheren oder späteren Besteuerungszeitraum[12];
  • durch geringere Verrechnungsmöglichkeiten und damit eine effektiv höhere Zahllast.[13] Dies gilt aber nicht, wenn die Verrechnung in keinem Fall in Betracht kommt[14];
  • durch unmittelbare verbindliche Wirkung für eine andere Steuerart.[15] Nicht erforderlich ist hierbei, dass die steuerliche Wirkung mit Sicherheit eintreten wird, sondern es genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Eintritts.[16] Ausreichend ist die Möglichkeit der späteren Auswirkung, auch wenn dies die Ausübung eines Wahlrechts durch den Stpfl. erfordert.[17] Die verbindliche Wirkung muss aber im Steuerrechtsverhältnis des Einspruchsführers eintreten[18];
  • wenn die akut vorteilhafte zu niedrige Steuerfestsetzung in späteren Jahren in einen noch größeren Nachteil umschlagen kann.[19]
 

Rz. 17b

Dies können zum anderen nachteilige Auswirkungen für ein anderes öffentlich-rechtliches Rechtsgebiet sein, wenn eine rechtliche Bindung an die Besteuerungsgrundlagen besteht.[20]

 

Rz. 17c

Nachteilige Auswirkungen auf die zivilrechtliche Rechtsstellung begründen keine Einspruchsbefugnis.[21]

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge