Rz. 69

Stellt ein Stpfl. bei der Finanzbehörde einen Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts[1], d. h. einen Antrag, eine inhaltlich bestimmte Regelung zu treffen, so eröffnet er hiermit das auf den Erlass dieses Verwaltungsakts gerichtete Verwaltungsverfahren.[2] In diesem Verfahren besteht für die Finanzbehörde die allgemeine Verpflichtung, über den Antrag binnen angemessener Frist zu entscheiden.[3] Erfüllt die Finanzbehörde diese Verpflichtung nicht, sondern bleibt sie aufgrund des Antrags untätig, so gewährleistet die Einspruchsmöglichkeit nach § 347 Abs. 1 S. 2 AO i. V. m. der Klagemöglichkeit nach § 46 FGO den umfassenden Rechtsschutz gegen die Untätigkeit der Finanzbehörde in Verwaltungsverfahren.

 

Rz. 69a

Diese Sonderregelungen des Untätigkeitseinspruchs bzw. der Untätigkeitsklage sind erforderlich, weil sowohl die finanzgerichtliche Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage[4] als auch der Einspruch[5] voraussetzen, dass ein Verwaltungsakt erlassen bzw. der Erlass abgelehnt worden ist.[6] Dies hätte zur Folge, dass der Stpfl. ohne Rechtsschutz wäre, wenn die Finanzbehörde über einen Antrag, einen Verwaltungsakt zu erlassen, nicht entscheidet.[7] Dieser Untätigkeit der Finanzbehörde im Verwaltungsverfahren kann zwar auch durch eine Dienstaufsichtsbeschwerde[8] begegnet werden; der formelle Rechtsschutz, der letztlich den Weg zum FG eröffnet, wird aber insoweit durch den Untätigkeitseinspruch nach § 347 Abs. 1 S. 2 AO gewährt.

Zudem sind die finanzgerichtliche Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage[9] grundsätzlich erst nach Abschluss des Einspruchsverfahrens durch eine Einspruchsentscheidung zulässig.[10] Die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG gebietet es, dass Rechtsschutz auch bei Untätigkeit der Finanzbehörde gewährt wird, wenn ein beantragter Verwaltungsakt, der Gegenstand des Einspruchs- und Klageverfahrens werden könnte, nicht erlassen wird. Da sonst bei einer Untätigkeit der Finanzbehörde die Klagevoraussetzungen nicht gegeben wären, eröffnen die Sonderregelungen des § 347 Abs. 1 S. 2 AO und des § 46 FGO den gerichtlichen Rechtsschutz. Die Regelungen sind abschließend.

Der Untätigkeitseinspruch gewährleistet den gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Untätigkeit der Finanzbehörde, wenn zwar ein Verwaltungsakt beantragt, aber noch nicht erlassen wurde. Bleibt die Finanzbehörde nach der Einlegung eines Untätigkeitseinspruchs in dem damit anhängigen Einspruchsverfahren untätig, sog. "doppelte Untätigkeit", so kann Rechtsschutz durch die Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 1 FGO erlangt werden.

 

Rz. 69b

Ist der Antrag auf Erlass eines nicht einspruchsfähigen Verwaltungsakts gerichtet[11], so ist insoweit die Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 2 FGO zulässig.[12]

 

Rz. 69c

Ist der Antrag auf Erlass einer "sonstigen" Leistung gerichtet, also einer Leistung der Behörde in jeglicher Form des Tuns, Duldens oder Unterlassens, die nicht die Rechtsqualität eines Verwaltungsakts besitzt[13], so ist insoweit die "sonstige Leistungsklage" nach § 40 Abs. 1 FGO ohne finanzbehördliches Einspruchsverfahren zulässig.[14]

 

Rz. 69d

Der Untätigkeitseinspruch nach § 347 Abs. 1 S. 2 AO ist damit ein echter Rechtsbehelf i. S. v. § 44 Abs. 1 FGO[15], allerdings mit einem anderen Verfahrensgegenstand[16] und insofern ein Rechtsbehelf eigener Art.[17] Bei "doppelter Untätigkeit"[18] ist die Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 1 FGO nur zulässig, wenn ein Untätigkeitseinspruch eingelegt wurde.[19]

 

Rz. 69e

Gegenstand des Einspruchsverfahrens bei einem Einspruch nach § 347 Abs. 1 S. 1 AO ist der erlassene Verwaltungsakt[20], demgegenüber ist bei dem Untätigkeitseinspruch Gegenstand des Verfahrens nur die Untätigkeit der Finanzbehörde.[21]

 

Rz. 70

Über die Eröffnung dieser Rechtsschutzmöglichkeit hinaus hat die Untätigkeit im Verwaltungsverfahren keine Rechtsfolgen. Insbesondere hat die behördliche Untätigkeit keinen Einfluss auf den materiellen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis und bewirkt demgemäß nicht die Verfassungswidrigkeit und Rechtswidrigkeit eines späteren Verwaltungsakts.[22]

Die Untätigkeit hat für sich allein grundsätzlich auch keine Verwirkung für die Geltendmachung des materiellen Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis zur Folge.[23]

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge