1 Allgemeines

 

Rz. 1

Die Vorschrift über das Steuergeheimnis ist eine der zentralen Normen der AO. Sie hat in § 355 StGB ihre strafrechtliche Entsprechung. Auch dies stellt ihre Bedeutung für das steuerliche Verfahrensrecht und für die Rechtsordnung als solche heraus. Nur der intensive Schutz des Steuergeheimnisses kann die umfassenden Wahrheits- und Mitwirkungspflichten des Steuerverfahrensrechts rechtfertigen. Dementsprechend wird die Bindung der Verwaltung an das Steuergeheimnis auch als Voraussetzung für die Steuermoral gesehen.[1]

Der Aufbau des § 30 AO ist der Komplexität des Regelungsgegenstandes geschuldet differenziert und dadurch entsprechend unübersichtlich.[2]

[1] Härtwig, FR 2018, 871, 872 m. w. N.
[2] Klein/Rüsken, AO, 16. Aufl. 2022, § 30 Rz. 1.

1.1 Entwicklungsgeschichte

 

Rz. 2

Die Norm hat eine längere Vorgeschichte. In ihren Grundzügen entspricht sie § 22 RAO. Die Formel des § 22 RAO "Das Steuergeheimnis ist unverletzlich" ist in der AO ersetzt worden durch das klarere Gebot "Amtsträger haben das Steuergeheimnis zu wahren" (s. auch Rz. 3). In der ausdifferenzierten Norm sind die in Lit. und Rspr. zu § 22 RAO entwickelten Gedanken insbesondere zur Frage der Offenbarungsbefugnis aufgenommen worden, zudem wurde der Wortlaut zwischenzeitlich dem 1974 neu gefassten § 355 StGB (Verletzung des Steuergeheimnisses) angepasst. Inzwischen fallen beide Schutzbereiche partiell wieder auseinander. Bemerkenswert ist aber, dass seit der Änderung des § 355 StGB durch das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens v. 18.7.2016[1] der Schutzbereich der Strafnorm auch gegen Verletzungen des Steuergeheimnisses durch Amtsträger der Rechnungsprüfungsbehörden wirkt. Demgegenüber fällt aber die Strafdrohung des § 355 StGB und die Verletzung des § 30 AO in den Fällen des unbefugten Datenabrufs auseinander. Die Ausweitung des Schutzbereichs des § 30 AO durch das Gesetz zur weiteren Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12.12.2019[2] wurde in § 355 StGB nicht nachvollzogen. Auch insoweit bleibt der strafrechtliche Schutz der von § 30 AO geschützten Daten unvollkommen.

Die Regelung des § 30 AO hat über die Jahre eine Reihe von Änderungen erfahren. Ganz besonders bedeutend war die Anpassung des § 30 AO durch das Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften.[3] Mit diesem Gesetz trug der Gesetzgeber den Anforderungen der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)[4] Rechnung, indem er damit im Zusammenhang stehende Normen, die die Regelungen der DSGVO ergänzen und teilweise im erlaubten Rahmen modifizieren, als datenschutzrechtliche Regelungen unmittelbar in der AO schuf. Das steuerliche Verfahrensrecht wurde in seinen datenschutzrechtlichen Ausformungen an die europarechtlichen Anforderungen angepasst bzw. es wurden entsprechende Regelungen als kodifiziertes Recht in der AO erstmals geschaffen. Da dementsprechend auch eine Anpassung des § 30 AO erforderlich war, gelten seit dem 25.5.2018 auch für den § 30 AO dem Datenschutzrecht der EU angepasste Regeln. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens war dabei dem Gleichklang zur DSGVO geschuldet. Mit den Anpassungen des § 30 AO an die DSGVO geht jedoch keine Aushöhlung des deutschen Steuergeheimnisses einher. Vielmehr bemühte sich der deutsche Gesetzgeber, auch im Lichte und unter der Ägide der DSGVO den bisherigen Status quo so weit wie möglich zu erhalten.[5] Zugleich wurde § 30 AO aber auch tatbestandlich erweitert, indem auch mehrere neue Offenbarungstatbestände eingeführt wurden, die keine bloße Anpassung des nationalen Rechts an die DSGVO darstellten, sondern einen eigenständigen, das Steuergeheimnis öffnenden Regelungscharakter haben.[6]

Durch eine Reihe von Gesetzen wurden bereits seit einiger Zeit die Offenbarungsbefugnisse und Mitteilungspflichten der Finanzbehörden aus regelmäßig ordnungspolitischen Gründen im Laufe der Jahre sukzessive erweitert, das Steuergeheimnis ist dementsprechend eingeschränkt worden, s. insbesondere § 31 Abs. 3 AO[7], § 31a AO[8], § 31b AO[9], § 31c AO[10], aber auch eine Reihe weiterer steuerverfahrensrechtlicher Regelungen und spezialgesetzlicher Vorschriften.

Mit den Abs. 6 und 7[11] sind zusätzliche Regelungen geschaffen worden, die dem Steuergeheimnis auch unter den technischen Vorgaben eines fortschreitend elektronisch gestalteten Steuerverwaltungsverfahrens Rechnung tragen sollen.

Mit der Schaffung der Abs. 8 bis 11[12] trug der Gesetzgeber neben diesen Zwecken auch den Anforderungen der DSGVO Rechnung.

Bemerkenswert ist die in der jüngeren Rechtsentwicklung des § 30 AO eher ungewöhnliche Ausweitung des Schutzbereichs des Steuergeheimnisses durch das Gesetz zur weiteren Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften.[13]

Mit dem Jahressteuergesetz 2022[14] wurde eine neue Öffnungsnorm zum Steuergeheimnis in § 30 Abs. 4 AO als neue Nr. 2d eingefügt, die die Archivierung geschützter Daten aus dem Besteuerungsverfahren und zugleich die Nutzungsbeschränkung der von Bund, Ländern...

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