Rz. 148

In zahlreichen Verfügungen und Erlassen vorgesetzter Behörden[1] sind für die Auslegung der Vorschrift über das Steuergeheimnis Verwaltungsanweisungen ergangen. Handelt der Amtsträger oder die gleichgestellte Person[2] aufgrund einer solchen Anweisung oder derjenigen eines Vorgesetzten, so wird dadurch sein Offenbaren oder Verwerten nicht zulässig, wenn es nach zutreffender Auffassung unzulässig ist. Für die strafrechtliche und disziplinarische Behandlung im Verletzungsfall durch Beamte sind die Vorschriften des Beamtenrechts bedeutsam. Nach § 62 Abs. 1 S. 2 BBG, § 36 Abs. 2 S. 3 BeamtStG ist der Beamte grundsätzlich verpflichtet, die von seinen Vorgesetzten erlassenen Anordnungen auszuführen und ihre allgemeinen Richtlinien zu befolgen.

Gemäß § 63 Abs. 1 BBG, § 36 Abs. 1 BeamtStG trägt allerdings der Beamte für die Rechtmäßigkeit seiner dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung. Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit seiner dienstlichen Handlungen muss er unverzüglich gegenüber seinem Vorgesetzten geltend machen. Besteht der Vorgesetzte auf seiner Anordnung und ggf. nach einer Remonstration dessen Vorgesetzter, so ist der Beamte von der eigenen Verantwortung befreit. Wenn allerdings für ihn zu erkennen ist, dass das Vorgehen strafbar oder ordnungswidrig ist, gilt dies nicht. Nimmt also der Beamte zutreffend die Unzulässigkeit des Offenbarens nach § 30 AO an, so trägt er hierfür trotz der Anweisung die volle Verantwortung. Sein Offenbaren wäre vorsätzlich. Verlässt er sich dagegen auf die Anweisung des Vorgesetzten, ohne die Rechtswidrigkeit zu erkennen, so kann je nach den Verhältnissen des Einzelfalls für die strafrechtliche Beurteilung ggf. der Vorsatz entfallen oder ein unvermeidbarer Verbotsirrtum anzunehmen sein, bei dem die Schuld ausgeschlossen ist.[3]

Die Unvermeidbarkeit ist aber nicht schon dann gegeben, wenn der handelnde Bedienstete sich keine weiteren Gedanken zur Zulässigkeit der Weisung gemacht hat. Dann wird regelmäßig eher ein Eventualvorsatz hinsichtlich der Verwirklichung des Tatbestands des § 355 StGB anzunehmen sein. Bei Begehung von Straftaten kann sich der Amtsträger jedenfalls nicht mit der vorliegenden Weisung exkulpieren.[4]

 

Rz. 149

Die Strafbarkeit des Dienstvorgesetzten und ggf. der darüber liegenden Weisungskette ergibt sich in diesen Fällen aus §§ 357, 355 StGB. Bemerkenswert und innerdienstlich von besonderer Bedeutung ist die Versuchsstrafbarkeit des Vorgesetzten nach § 357 Abs. 1 2. Alt. StGB.[5] Auch für die Verwirklichung der Strafnorm des § 357 StGB genügt zudem der bedingte Vorsatz.[6] Die Tatsache, dass sich der Dienstvorgesetzte in diesen Fällen bereits ohne Ausführung der Tat durch den Untergebenen und ohne ein § 355 Abs. 3 StGB entsprechendes Antragserfordernis strafbar macht, sollte eigentlich ein hohes Risikobewusstsein bei Vorgesetzten schaffen, deren Untergebene wegen einer drohenden Verletzung des Steuergeheimnisses remonstrieren.

 

Rz. 150

Disziplinarrechtlich wird entsprechend zu entscheiden sein. Ein Schadensersatzanspruch gegen den Amtsträger wird bei Vorliegen eines unvermeidbaren Verbotsirrtums ausscheiden. In diesen Fällen wird für den Schadensersatzanspruch gegen den Fiskus zu prüfen sein, ob eine Amtspflichtverletzung des anweisenden Vorgesetzten anzunehmen ist.

[1] Insbesondere AEAO, zu § 30.
[4] S. dazu etwa auch § 36 Abs. 2 S. 4 BeamtStG.
[5] Fischer, StGB, 70. Aufl. 2023, § 357 Rz. 4; Lackner/Kühl/Heger, StGB, 30. Aufl. 2023, § 357 Rz. 3.
[6] Fischer, StGB, 70. Aufl. 2023, § 357 Rz. 6.

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