Rz. 41

Werden bei Gelegenheit eines Verfahrens Kenntnisse erlangt, die nicht eigentlich Gegenstand des Verfahrens sind, können auch diese dem Schutz des Steuergeheimnisses unterliegen. Der zwischen Kenntniserlangung und Durchführung des Steuerverfahrens bestehende unmittelbare Zusammenhang ist mit Rücksicht auf den hohen Rang des Steuergeheimnisses in einem sehr weiten Sinn zu verstehen.[1] Nicht dazu gehören aber solche Erkenntnisse, die jedermann sich auch ohne in den Steuerverfahren tätig zu sein, mit der gleichen Gewissheit und im gleichen Umfang jederzeit beschaffen könnte.[2] Dementsprechend unterfallen etwa steuerlich relevante Daten, die bei einfacher Suche bzw. Recherche im Internet frei von Barrieren von einer unbestimmten Personenzahl einsehbar sind, auch bei Verwendung im steuerlichen Verfahren für sich gesehen und ohne Verknüpfung mit geschützten Daten, nicht dem Steuergeheimnis.[3]

Alle geschützten Daten, die nicht bei rein privaten oder Freizeitveranstaltungen oder nur im zeitlichen Zusammenhang mit dem Dienst erlangt werden, unterliegen dem Schutz des Steuergeheimnisses, gleich ob sie zielgerichtet erhoben wurden oder Zufallsfunde darstellen.[4] Davon ist auszugehen, wenn die Kenntnisse in einem inneren objektiven oder subjektiven Zusammenhang mit dem Verfahren stehen[5], wie etwa durch freiwillige Auskünfte des Stpfl. zu anderen als den geprüften Jahren oder durch Zufallsfunde von Belegen, Zahlenwerken o. ä. Hingegen sind ohne einen solchen Zusammenhang bei Gelegenheit eines Verfahrens erlangte Kenntnisse nicht durch § 30 AO geschützt, z. B. der vom Prüfer während einer Außenprüfung beim Blick aus dem Fenster beobachtete Verkehrsunfall – anders aber wohl wiederum, soweit es um die Beobachtung unerlaubter Handlungen im Geschäftsbereich des geprüften Stpfl. geht (Unfall auf dem Firmengelände, Diebstahl durch einen Angestellten). Man wird darauf abstellen müssen, ob die Kenntniserlangung lediglich bei Gelegenheit einer Pause oder im Rahmen der Prüfung stattfindet[6], was sich auch daran orientieren muss, wie der Prüfer die Erkenntnis wahrnimmt bzw. einordnet.

Verschafft sich ein am Verfahren unbeteiligter Amtsträger heimlich Informationen aus den Steuerakten, so fällt diese Informationserlangung durch ihn nicht unter diesen Steuerfall.[7] Je nach Motiv und Umständen kann die "Beschaffung" aber im Rahmen eines "eigenen" Steuerfalls stattgefunden haben und damit unter das Steuergeheimnis nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO fallen.[8]

 

Rz. 42

Außerdienstlich erlangte Kenntnisse über (ansonsten) geschützte Daten i. S. v. § 30 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 AO unterliegen grundsätzlich nicht dem Schutz des Steuergeheimnisses.[9] Die detaillierte Regelung des § 30 Abs. 2 AO beschränkt ihn auf Kenntnisse, die in einem der dort aufgeführten Verfahren erlangt sind. Kenntnisse, die ein Amtsträger im privaten Umfeld erwirbt (von Verwandten, Freunden, Bekannten, im Verein, am Stammtisch usw.), fallen nicht hierunter.

 

Rz. 42a

Erfährt ein Amtsträger aber erst nach schon erfolgter Kenntniserlangung im Besteuerungsverfahren später außerhalb dieses Verfahrens – etwa privat – die gleichen Sachverhalte, löscht dies die Kenntniserlangung in einem Verfahren nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 AO nicht aus. Die Daten bleiben bei ihm vom Steuergeheimnis geschützt.[10]

Erfährt er die Sachverhalte aber zunächst außerhalb eines Verfahrens nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 AO und erlangt er später die gleichen Erkenntnisse noch einmal in einem Besteuerungs- oder Steuerstrafverfahren, so sind die ihm schon zuvor bekannten Daten nicht in einem Verfahren i. S. d. § 30 Abs. 2 Nr. 1 AO bekannt geworden. Er unterliegt dann mit diesen Daten nur insoweit dem Steuergeheimnis, wie sie die Involvierung in ein Verfahren nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 AO betreffen.

 

Rz. 43

Werden Kenntnisse in einem Verfahren nach § 30 Abs. 2 AO erlangt und von dort "weitergetragen" an andere, nicht am Verfahren beteiligte Amtsträger, wird unter Berufung auf den Zweck des § 30 AO vertreten, dass immer auch der in Kenntnis gesetzte Amtsträger nicht als befugt angesehen werden kann, die erlangten Informationen zu offenbaren, also seinerseits mit diesen Erkenntnissen dem Steuergeheimnis unterliegt.[11] Dieser Auffassung ist zunächst insoweit zu folgen, dass sich daraus der weiterhin notwendige Schutz für die Daten ergibt. Zum einen unterliegt aber derjenige, der die Daten dienstlich erfährt, auch dem Amtsgeheimnis und damit dem Schutzbereich des § 353b StGB. Somit besteht auch bei sonstiger dienstlicher Kenntniserlangung, etwa auch bei unbefugter und heimlicher Akteneinsicht durch einen Amtsträger ein Schutz der Daten fort. Allerdings ist dieser "verbleibende Schutz" für die von den geschützten Daten betroffene Person deutlich weniger gewichtig (vgl. Rz. 8).

Erwirbt der "zweite Amtsträger" die Informationen im erweiterten Zusammenhang mit der Bearbeitung des ihn betreffenden Steuerfalls, so kommt es darauf an, ob er sie in diesem Verfahren, mithin in einem Verfahren nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a bis c ...

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