1.1 Inhalt und Bedeutung

 

Rz. 1

§ 273 AO legt in Abs. 1 einen besonderen Aufteilungsmaßstab für Steuernachforderungen fest, die sich aus der Änderung einer Steuerfestsetzung oder ihrer Berichtigung ergeben. Abs. 2 bestimmt, dass dieser besondere Aufteilungsmaßstab nicht anzuwenden ist, wenn die bisher festgesetzte Steuer noch nicht getilgt ist.

Die Sonderregelung des § 273 Abs. 1 AO wird damit begründet, dass der allgemeine Aufteilungsmaßstab der §§ 270, 271 AO in Fällen, in denen die Änderung auf eine Erhöhung der Einkommens- oder Vermögensteile nur eines der Ehegatten zurückgehe, den anderen Ehegatten unbillig belasten würde.[1] Damit wird die Frage des Aufteilungsmaßstabs unzulässigerweise mit der des aufzuteilenden Betrags vermischt. Der Aufteilungsmaßstab richtet sich nach der Systematik der §§ 270 bis 272 AO nach den auf die einzelnen Gesamtschuldner entfallenden Besteuerungsgrundlagen des gesamten Veranlagungszeitraums, ergibt sich also auf der Ebene der Steuerfestsetzung. Demgegenüber ergibt sich der aufzuteilende Betrag auf der Ebene der Steuererhebung. Es besteht u. E. kein tragfähiger Grund dafür, die grundsätzliche Trennung dieser beiden Ebenen für den Fall von Steuernachforderungen nach vollständiger Tilgung der früher festgesetzten Steuerschuld aufzuheben.

Die Sonderregelung erscheint daher systematisch verfehlt und sollte bei einer künftigen Überarbeitung der AO gestrichen werden, da sie zu unnötigen Komplizierungen bei einer wichtigen Gruppe von Aufteilungsfällen sowie zu sonst vermeidbaren Auslegungsproblemen führt.[2] Bis dahin ist sie allerdings anzuwenden, da verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestehen.

[1] Zeller-Müller, in Gosch, AO/FGO, § 273 AO Rz. 1; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 273 AO Rz. 1; s. BFH v. 30.11.1994, XI R 19/94, BStBl II 1995, 487, s. auch BFH v. 18.7.2000, VII R 32, 33/99, BFH/NV 2001, 86.
[2] Ebenso Koenig/Zöllner, AO, 4. Aufl. 2021, § 273 Rz. 1.

1.2 Anwendungsbereich

 

Rz. 2

§ 273 Abs. 1 AO gilt für alle Steuernachforderungen, die sich aus der Änderung oder Berichtigung der Steuerfestsetzung ergeben. Auf Nachforderungen aus einer Änderung oder Berichtigung der Anrechnungsverfügung findet die Vorschrift keine Anwendung.[1]

Bei mehrfacher Änderung oder Berichtigung der Steuerfestsetzung kann § 273 Abs. 1 AO auch wiederholt zur Anwendung kommen. Der Aufteilungsmaßstab nach § 273 Abs. 1 AO ist auch dann anwendbar, wenn bereits die zuvor festgesetzte Steuer ganz oder teilweise aufgeteilt wurde.[2]

Für Nebenleistungen i. S. v. § 276 Abs. 4 AO gilt der Aufteilungsmaßstab gem. § 273 Abs. 1 AO insoweit, als diese auf die Steuernachforderung entfallen.[3]

Nach § 273 Abs. 2 AO ist der in Abs. 1 genannte Aufteilungsmaßstab nicht anzuwenden, wenn die bisher festgesetzte Steuer noch nicht vollständig getilgt ist.

[2] Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 280 AO Rz. 3; Zeller-Müller, in Gosch, AO/FGO, § 273 AO Rz. 2; Müller-Eiselt, in HHSp, AO/FGO, § 273 AO Rz. 6; unklar Schlücking, DStR 1985, 141, 145.

1.3 Verhältnis zu anderen Vorschriften

 

Rz. 3

Für die Aufteilung von Nachforderungen aus der Änderung oder Berichtigung einer Steuerfestsetzung verdrängt § 273 Abs. 1 AO als lex specialis den allgemeinen Aufteilungsmaßstab nach § 270 S. 1 AO. Eine Ausnahme gilt für den Fall, dass die fiktiven Einzelveranlagungen nach § 273 Abs. 1 AO bei keinem der Gesamtschuldner zu einem Mehrbetrag führen, z. B. weil bei dem einen die sich aus der fiktiven Einzelveranlagung ergebende Steuer trotz Erhöhung einer Besteuerungsgrundlage weiterhin 0 EUR beträgt, während sich die Besteuerungsgrundlagen bei dem anderen nicht ändern. In diesem Fall ist auf den allgemeinen Aufteilungsmaßstab nach § 270 S. 1 AO zurückzugreifen.[1]

Für den Fall, dass bereits die zuvor festgesetzte Steuer ganz oder teilweise aufgeteilt wurde, hat § 273 Abs. 1 AO als lex specialis Vorrang gegenüber § 280 Abs. 1 Nr. 2 AO. Ist aus der früheren Festsetzung allerdings noch ein Steuerbetrag rückständig, ist § 280 Abs. 1 Nr. 2 AO anzuwenden.[2]

[2] Koenig/Zöllner, AO, 4. Aufl. 2021, § 273 Rz. 3.

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