Rz. 84

Personengesellschaften[1] sind nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO ausdrücklich selbstständig insolvenzfähig. Dies gilt seit dem Inkrafttreten der InsO auch für die GbR. Als reine Innengesellschaft ist die stille Gesellschaft (gleich ob typisch oder atypisch) hingegen nicht insolvenzfähig.[2]

 

Rz. 85

Die Personengesellschaft ist damit Gegenstand eines Sonderinsolvenzverfahrens.[3] Das Schicksal der Personengesellschaft wird also von dem der Gesellschafter getrennt; das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Personengesellschaft kann, muss aber nicht ein Insolvenzverfahren über das Vermögen einzelner oder aller Gesellschafter zur Folge haben. Wird auch das Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Gesellschafters eröffnet, handelt es sich um ein unabhängiges, von dem Verfahren über das Vermögen der Personengesellschaft getrenntes Insolvenzverfahren. Forderungen gegen den Gesellschafter können daher im Insolvenzverfahren über das Gesellschaftsvermögen nicht geltend gemacht werden.[4] Auch steuerliches Sonderbetriebsvermögen bleibt von der Insolvenz der Personengesellschaft unberührt, da es zivilrechtlich dem Gesellschafter gehört und nur für ertragsteuerliche Zwecke der Gesellschaft hinzugerechnet wird. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters hindert auch nicht den Erlass eines Gewinnfeststellungsbescheids für die Personengesellschaft.[5]

 

Rz. 86

Steuerrechtlich wird dieser strikten Trennung im Insolvenzverfahren jedoch nicht gefolgt. Es bleibt bei der steuerrechtlichen Regelung des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG, wonach die Ergebnisse der Personengesellschaft den Gesellschaftern zuzurechnen sind. Die Personengesellschaft ist bei der ESt nicht Steuersubjekt; die persönlichen Steuern zu entrichten hat allein der jeweilige Gesellschafter, und zwar auch, soweit die Besteuerungsgrundlagen durch die Tätigkeit der Personengesellschaft verwirklicht werden. Diese steuerrechtliche Regelung bleibt auch im Insolvenzverfahren unverändert. Sie bedeutet, dass der Gesellschafter Steuern für Gewinne (z. B. Veräußerungsgewinne) zu zahlen hat, die durch die in Insolvenz gefallene Personengesellschaft erzielt worden sind, obwohl die entsprechenden Gewinne zu der Masse geflossen sind und ihm daher nicht für Steuerzahlungen zur Verfügung stehen. Entsprechend sind ihm aber auch Verluste der Personengesellschaft zuzurechnen; bei beschränkter Haftung ist dabei § 15a EStG zu beachten. Andererseits bedeutet diese Regelung, dass die ESt der Gesellschafter selbst dann nicht im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Personengesellschaft geltend gemacht werden kann (weder als Insolvenzforderung noch als Masseverbindlichkeit), wenn die Besteuerungsgrundlagen zu der Insolvenzmasse gehören.

 

Rz. 87

Diese Regelung ist nicht sachgerecht; sie führt dazu, dass der Gesellschafter mit seinem nicht vom Insolvenzverfahren über das Vermögen der Personengesellschaft erfassten Vermögen Ansprüche befriedigen muss, die letztlich auf der Insolvenzmasse der Personengesellschaft beruhen. Ist das Insolvenzverfahren auch über das Vermögen des Gesellschafters eröffnet worden, sind in diesem Insolvenzverfahren die Steueransprüche zu befriedigen, die auf der Masse des anderen Insolvenzverfahrens beruhen. Die Ursache dieser unbefriedigenden Regelung liegt darin, dass insolvenzrechtlich das Vermögen der Personengesellschaft als Sondervermögen von dem Vermögen der Gesellschafter getrennt wird und Objekt eines eigenständigen Insolvenzverfahrens ist. Steuerrechtlich wird dem jedoch für die ESt nicht gefolgt; die ESt richtet sich weiterhin nicht gegen das Sondervermögen der Personengesellschaft, sondern bleibt persönliche Steuer des einzelnen Gesellschafters. Gerade an dieser Stelle tritt damit offen zu Tage, dass Steuerrecht und Insolvenzrecht nicht aufeinander abgestimmt sind.

 

Rz. 88

Im Einzelnen resultieren aus diesem Widerspruch zwischen Insolvenzrecht und Steuerrecht folgende Fallgestaltungen[6]:

  • Ist über das Vermögen des Gesellschafters das Insolvenzverfahren eröffnet, nicht aber über das der Personengesellschaft, gehört die Beteiligung an der Personengesellschaft zur Masse im Gesellschafterinsolvenzverfahren und unterliegt der Verwaltung durch den Insolvenzverwalter. ESt-Ansprüche, die aus der Beteiligung resultieren, sind daher Masseverbindlichkeiten.[7]
  • Ist über das Vermögen der Personengesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet worden, nicht aber über das des Gesellschafters, ist darauf abzustellen, ob der Gesellschafter persönlich haftet. Ist dies der Fall (persönlich haftender Gesellschafter; nicht voll eingezahlte Einlage beim Kommanditisten), mindern die Gewinne der Personengesellschaft die gegen den Gesellschafter gerichteten Haftungsansprüche; er ist also bereichert, seine Belastung mit ESt ist gerechtfertigt. Entsprechendes gilt, wenn durch die Gewinne ein noch vorhandenes negatives Kapitalkonto des Kommanditisten vermindert wird; er hätte den Wegfall des negativen Kapitalkontos nachversteuern müssen, ist also durch die Gewi...

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