Rz. 19

Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hinsichtlich der Masse vom Schuldner auf den Insolvenzverwalter über.[1] Diese Befugnis endet erst mit der Einstellung des Insolvenzverfahrens.[2] Nach § 58 InsO steht diese Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis unter der Aufsicht des Insolvenzgerichts, das jederzeit Auskünfte oder einen Bericht über den Sachstand verlangen kann.[3] Der Insolvenzverwalter ist damit die zentrale Figur des Insolvenzverfahrens.[4]

 

Rz. 20

Zentrale Bestimmung für den Insolvenzverwalter ist § 56 InsO, der regelt, dass eine für den jeweiligen Einzelfall geeignete unabhängige natürliche Person zu bestellen ist.[5] Die Tatsache, dass nur eine natürliche Person Insolvenzverwalter sein kann, ist nicht zu beanstanden.[6] Dies hat auch das Bundesverfassungsgericht bestätigt.[7] Zu differenzieren ist zwischen der Bestellung und der Ernennung. Die Bestellung erfolgt durch die Erklärung des Insolvenzgerichts. Die Ernennung erfolgt nach § 27 InsO durch das Insolvenzgericht mit dem Wirksamwerden des Eröffnungsbeschlusses. Nach § 57 InsO kann die Gläubigerversammlung auch einen anderen als den vom Gericht bestellten Insolvenzverwalter wählen. Seit dem ESUG hat zudem der vorläufige Gläubigerausschuss eine erhebliche Einflussmöglichkeit auf die Auswahl der Person des Insolvenzverwalters (s. hierzu Rz. 45a). Die Tätigkeit des Insolvenzverwalters endet mit Einstellung oder Aufhebung des jeweiligen Insolvenzverfahrens oder mit der Bestellung eines anderen Insolvenzverwalters oder, wenn nachträglich eine Eigenverwaltung angeordnet wird.[8]

 

Rz. 21

Zur Stellung des Insolvenzverwalters werden nach wie vor verschiedene Theorien vertreten.[9] Gleiches galt dabei bereits hinsichtlich der Stellung des Konkursverwalters nach der bis zum 31.12.1998 geltenden Rechtslage. Nach der sog. "Vertretertheorie" handelt der Insolvenzverwalter als ein gesetzlicher Vertreter des Schuldners. Nach der "Amtstheorie" ist der Insolvenzverwalter Träger eines Amts im eigenen Namen. Beide Theorien führen für die Beurteilung der steuerrechtlichen Stellung des Insolvenzverwalters nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen, da jedenfalls der Schuldner verpflichtet wird. Die "Organtheorie" vertritt hingegen die Ansicht, die Insolvenzmasse sei ein selbstständiges Rechtsgebilde mit eigener Parteifähigkeit, der Insolvenzverwalter sei Organ dieser Insolvenzmasse. In der Praxis immer noch als herrschend anzusehen ist wohl die "Amtstheorie", obwohl dieser in der insolvenzrechtlichen Lit. mit durchaus beachtlichen Argumenten begegnet wird.[10] Für die steuerrechtliche Praxis ist die "Organtheorie" jedoch als unpraktikabel abzulehnen. Nach dieser Theorie wäre nämlich die Insolvenzmasse ein eigenes Steuerrechtssubjekt und würde der Steuerpflicht unterliegen.[11]

 

Rz. 22

Der Insolvenzverwalter hat somit nach § 34 Abs. 3 AO als Vertreter oder als Partei kraft Amtes – je nach vertretener Ansicht – diejenigen Pflichten zu erfüllen, die ansonsten den Schuldner träfen.[12] Hierbei kann er sich dritter Personen zur Erfüllung der Pflichten bedienen. Die einzelnen steuerlichen Pflichten, die zu erfüllen sind, ergeben sich dabei aus §§ 90, 93ff., 137ff., 140ff., 149ff. AO sowie aus den Einzelsteuergesetzen.[13] Die Pflichten des Insolvenzverwalters umfassen damit Steuererklärungspflichten, Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten sowie die Mitwirkungspflichten.[14] Zur Rechnungslegung hat § 155 Abs. 1 S. 2 InsO eine ausdrückliche Regelung getroffen.[15] Nach § 153 Abs. 1 InsO hat zudem der Insolvenzverwalter eine Vermögensübersicht zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufzustellen.[16] Nach § 66 InsO hat er ferner eine Schlussrechnung abzulegen. Diese insolvenzrechtlichen Pflichten befreien den Insolvenzverwalter allerdings nicht davon, seine handels- und steuerrechtlichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten ebenfalls zu erfüllen. Dies stellt die Regelung in § 155 Abs. 1 InsO ausdrücklich klar.[17]

 

Rz. 23

Diese Klarstellung hat somit zur Folge, dass der Insolvenzverwalter sowohl die handels- als auch die steuerrechtlichen Aufzeichnungs- und Bilanzierungspflichten zu erfüllen hat, und zwar auch für den Zeitraum vor der Eröffnung des Verfahrens. Für den handelsrechtlichen Bilanzstichtag regelt dabei § 155 Abs. 2 S. 1 InsO, dass mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein neues Geschäftsjahr beginnt. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beginnt damit ein Rumpfgeschäftsjahr, welches bis zum Ende des normalen Geschäftsjahres läuft. Anschließend besteht wieder ein Geschäftsjahr von 12 Monaten.[18] Aufgrund des Maßgeblichkeitsgrundsatzes des § 5 Abs. 1 S. 1 EStG wirkt sich die Umstellung des handelsrechtlichen Bilanzstichtags auch auf die steuerliche Gewinnermittlung aus. Es entsteht auch steuerlich ein Rumpfgeschäftsjahr. Dieser Umstellung kann die Finanzverwaltung nicht widersprechen, da es sich um eine vorgeschriebene gesetzliche Folge handelt.[19] Der Insolvenzverwalter hat aber auch das Recht, d...

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