Rz. 111

Die USt, die in der Praxis von erheblicher Bedeutung bei der Durchführung von Insolvenzverfahren ist, folgt in ihrer grundsätzlichen Behandlung den allgemeinen Vorschriften.[1] Sie ist dann Insolvenzforderung, wenn sie vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet wurde, ansonsten Masseverbindlichkeit. Maßgebend ist hierbei der Zeitpunkt, in dem die schuldrechtliche Beziehung geschaffen wurde, aus der die Steuer entsteht (s. im Einzelnen Rz. 50ff). Auch Steuern aus Handlungen des Insolvenzverwalters können demnach zu Insolvenzforderungen führen, wenn der Insolvenzverwalter lediglich in Rechtsbeziehungen eingreift, die der Schuldner geschaffen hat. Zu beachten ist nunmehr § 55 Abs. 4 InsO, der dazu führt, dass Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder dem Schuldner mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden sind, nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeiten gelten.[2] Dies kann insbesondere für die USt Bedeutung erlangen.[3] Auf der Seite der Gläubiger ist zu beachten, dass spätestens im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit einer Uneinbringlichkeit der Forderung zu rechnen ist, sodass eine Berichtigung der Bemessungsgrundlage gem. § 17 UStG in Betracht kommt.[4]

 

Rz. 112

Für die USt hat der BFH allerdings eine von dem Grundsatz des Begründetseins eine abweichende Rechtsansicht vertreten.[5] Diese Rspr. ist zwar zur Rechtslage nach der KO ergangen, doch ist nicht ersichtlich, dass der BFH jetzt eine andere Auffassung vertritt. Unter rein umsatzsteuerlichen Betrachtungen soll nach Ansicht des BFH die USt-Forderung erst dann begründet sein, wenn der Tatbestand, aus dem sich der Anspruch ergibt, vollständig verwirklicht, also abgeschlossen, ist.[6] Damit werden unter Zugrundelegung der Ansicht des BFH USt-Forderungen in einem erhöhten Umfang Masseverbindlichkeiten.[7]

 

Rz. 113

Die Auffassung des BFH ist in der Lit. auf Kritik gestoßen[8]; in der Tat ist die rein an umsatzsteuerlichen Kriterien ausgerichtete Auslegung des BFH abzulehnen. Die rein steuerliche Betrachtungsweise lässt nur eine Beantwortung der Frage zu, ob, wann und in welcher Höhe eine USt-Forderung entstanden ist. Die Beantwortung der Frage, wann diese Forderung begründet i. S. d. § 38 InsO ist, ist hingegen eine insolvenzrechtliche Frage und auch unter insolvenzrechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden. Maßgebend ist damit, auf welche Vermögensmasse sich die Forderung bezieht. Die USt ist begründet, wenn der steuerpflichtige Umsatz ausgeführt ist. USt auf Umsätze vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind damit Insolvenzforderungen, auch wenn sie erst nach der Eröffnung entstanden sind.[9] Dies gilt auch dann, wenn die USt nach vereinnahmten Entgelten erfolgt. Die insolvenzrechtliche Behandlung führt zu keinen Unterschieden im Verhältnis zur Besteuerung nach vereinbarten Entgelten, da für das Begründetsein das Entstehen der Steuerschuld nicht maßgebend ist.

 

Rz. 114

Aus diesen allgemeinen Grundsätzen ergeben sich für die verschiedenen Tatbestände der USt folgende Konsequenzen: Die USt-Forderung ist begründet, wenn der einzelne steuerpflichtige Umsatz ausgeführt ist. Dies ist bei Lieferungen und sonstigen Leistungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG bei Ausführung der Lieferung oder der sonstigen Leistung der Fall. Gleiches gilt auch bei den den Lieferungen und sonstigen Leistungen gleichgestellten Tatbeständen des § 3 Abs. 1b und 9a UStG, die an die Stelle der früheren Eigenverbrauchstatbestände getreten sind. Maßgebend ist also der Zeitpunkt der Entnahme, der unentgeltlichen Zuwendung oder der Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands durch einen Unternehmer zu Zwecken außerhalb des Unternehmens oder für private Zwecke des Personals.

 

Rz. 115

Die USt wegen unrichtigen Ausweises der Vorsteuer i. S. v. § 14c UStG ist mit der Ausstellung der Rechnung begründet.[10] Die EUSt ist begründet mit der Einführung der Gegenstände aus dem Drittlandsgebiet in das Inland. Die USt auf innergemeinschaftliche Erwerbe ist begründet mit der Ausstellung der Rechnung.[11]

 

Rz. 116

Werden an den Stpfl. Vorauszahlungen geleistet, sind diese regelmäßig nach § 13 Abs. 1 Nr. 1a UStG zu versteuern. Die USt ist aber auflösend bedingt durch die spätere Ausführung der Leistung. Deshalb ist für die insolvenzrechtliche Behandlung nicht die Vereinnahmung der Vorauszahlung, sondern die Ausführung der jeweiligen Leistung maßgebend. Erfolgt die Vereinnahmung vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, ist die USt Insolvenzforderung, wenn die Leistung ausgeführt wird. Wird die Leistung hingegen nicht ausgeführt, ist die USt trotz der Vereinnahmung vor der Insolvenzeröffnung Masseverbindlichkeit.[12]

 

Rz. 117

Für die Art der Geltendmachung der USt-Forderung ist die Fälligkeit der USt-Forderung maßgebend. Diese bestimmt sich nach § 18 UStG. Die Fälligkeit aufgrund von USt-Voranmeldungen tritt nach § 18 Abs. 1 UStG am 10. Tag ...

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