Rz. 4

Die AO enthält keine Legaldefinition für den Begriff Zinsen. Ebenso wie im Zivilrecht[1] handelt es sich um die laufzeitabhängige Gegenleistung für die mögliche Nutzung eines auf Zeit überlassenen oder vorenthaltenen Geldkapitals.[2] Auch nach dem Zinsbegriff des Unionsrechts gleichen Zinsen wirtschaftlich den Nachteil einer vorenthaltenen Nutzung des Kapitals aus und wahren damit das Äquivalenzprinzip und den Grundsatz der steuerlichen Neutralität.[3]

 

Rz. 5

Die Zinsen sind steuerliche Nebenleistungen i. S. d. § 3 Abs. 4 AO auf die die Vorschriften der AO nach Maßgabe des § 1 Abs. 3 AO anzuwenden sind.[4] Dabei sind nach § 239 Abs. 1 S. 1 AO die für die Steuern geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden. Für die Verzinsung ist eine zugrunde liegende Hauptschuld erforderlich; die Zinsen sind zur Hauptleistung grds. akzessorisch. Das ergibt sich zwar nicht aus dem Begriff der steuerlichen Nebenleistungen, sondern aus der inhaltlichen und zeitlichen Abhängigkeit der Zinsen von der Hauptschuld. Eine Minderung oder eine Erfüllung der Steuerschuld bewirkt daher, soweit nichts anderes bestimmt ist, die Herabsetzung oder den Wegfall der Zinsen.[5]

 

Rz. 6

Wegen der vom BFH in Änderungsfällen konkretisierten Akzessorietät sah sich der Gesetzgeber gezwungen, im Missbrauchsbekämpfungs- und SteuerbereinigungsG v. 21.12.1993 durch Änderung bzw. Ergänzung der Zinsvorschriften in §§ 234237 AO Ausnahmen von den Wirkungen der Akzessorietät anzuordnen.

 

Rz. 7

Ist ein Verzinsungstatbestand erfüllt, so ist die Verzinsung durchzuführen. Der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung[6] gilt für die Verzinsung entsprechend, sodass für die Verwaltung insoweit kein Ermessensspielraum besteht. Im Insolvenzverfahren teilen die bis zu seiner Eröffnung aufgelaufenen Zinsen gem. § 39 InsO das Schicksal der zugrunde liegenden Hauptsteuerforderung.[7]

 

Rz. 8

Da diese Zeit z. B. durch sehr unterschiedliche Erklärungszeitpunkte, kurze oder lange Veranlagungsverfahren aus verschiedensten Gründen, Ermittlung erst durch Außenprüfung usw. unterschiedlich lang ist, soll durch die Verzinsung der Nachforderungen oder Erstattungen ein Ausgleich geschaffen werden. Deswegen enthält § 233a AO eine Zinsregelung nur für diesen Bereich und lässt die bisher schon geltenden Zins- und Säumniszuschlagsregelungen – von wenigen Anpassungen und Anrechnungsregelungen abgesehen – unberührt. Neben das vorher schon geltende Zinsrecht ist also eine Verzinsung bis zum eigentlichen Fälligkeitszeitpunkt getreten. Dabei mussten allerdings in § 233a AO aus Gründen der Praktikabilität Einschränkungen für den Zinslauf (Karenzzeit) und eine weitgehende Trennung zwischen Ist und Soll der zu verzinsenden Ansprüche vorgesehen werden.[8]

 

Rz. 9

Der Verzinsung der § 233a AO geltenden Zinsregelungen[9] sowie der Regelung der Säumniszuschläge[10] ist gemein, dass sie erst ab dem erstmaligen Fälligkeitszeitpunkt wirkten bzw. wirken. Stundungszinsen[11] und Aussetzungszinsen[12] kommen bei Verschiebung der Fälligkeit, Prozesszinsen auf Erstattungsbeträge[13] erst für die Zeit gerichtlicher Rechtshängigkeit einer Klage in solchen Fällen in Betracht, in denen die Erstattung an den Stpfl. an sich bereits viel früher fällig gewesen wäre. Die Säumniszuschläge, die neben ihrem hauptsächlichen Druckmittelcharakter auch Zinscharakter haben, wurden und werden erst nach Fälligkeit verwirkt. Die Hinterziehungszinsen entstehen wegen der Ursache des nicht rechtzeitigen Fällig Werdens ausnahmsweise ab dem Zeitpunkt, zu dem ohne Hinterziehung Fälligkeit eingetreten wäre.[14]

 

Rz. 10

§ 233 AO geht für die gesetzlich vorgesehene Verzinsung von den Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis aus. Stundungszinsen sind grds. auch für alle Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis vorgesehen, während § 235 AO nur hinterzogene Steuern, § 236 AO nur zu erstattende Steuern und Steuervergütungen und § 237 AO nur ausgesetzte Steuern und Rückforderungsansprüche auf Steuervergütungen verzinsen lassen. § 233a AO betrifft sogar nur Ansprüche auf Zahlung oder Erstattung von ESt, KSt, USt, GewSt und der früheren VersSt.[15]

 

Rz. 11

In einzelnen Steuergesetzen ist die Zinslosigkeit vor allem von Stundungen, aber auch bei Erstattungen ausdrücklich angeordnet.[16] In anderen Fällen ergibt die Auslegung eines gesetzlichen Stundungsanspruchs, dass die Stundung zinslos gewährt werden muss.[17] § 234 Abs. 2 AO und § 237 Abs. 4 AO sehen einen Verzicht auf Zinsen aus Billigkeitsgründen vor. Das Fehlen einer entsprechenden Regelung für die anderen Zinsen[18] bedeutet allerdings nicht das Verbot von Billigkeitsmaßnahmen. §§ 163, 227 AO können angewendet werden. Das gilt vor allem für Fälle der Überschneidungen der Zinsvorschriften nach Einführung des § 233a AO, soweit eine Anrechnung nicht vorgesehen ist.

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