Rz. 8

Eine Verschiebung der Fälligkeit aus persönlichen Gründen kommt in Betracht, wenn die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerschuldners derart gemindert ist, dass ihm die Entrichtung der Steuer zum Fälligkeitszeitpunkt nicht zugemutet werden kann. Diese Unzumutbarkeit setzt entsprechend den Erfordernissen für die Nichtfestsetzung bzw. den Erlass (s. § 163 Rz. 52, 52a; § 227) voraus, dass Stundungsbedürftigkeit und Stundungswürdigkeit gegeben sind.

3.2.2.1 Stundungsbedürftigkeit

 

Rz. 9

Stundungsbedürftigkeit liegt vor, wenn sich der Steuerschuldner in einem vorübergehenden wirtschaftlichen Engpass befindet, so dass die konsequente Einziehung des Anspruchs bei Fälligkeit zu ernsthaften Zahlungsschwierigkeiten führen oder sogar eine Existenzgefährdung zur Folge haben würde. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Geltendmachung des gesetzlichen Anspruchs an sich keine erhebliche Härte darstellt, sondern dass erst besondere Umstände des Einzelfalls hinzutreten müssen, um dieses Merkmal auszufüllen. Der Stpfl. hat sich demgemäß rechtzeitig auf die Erfüllung der Steuerschuld, insbesondere auf Abschlusszahlungen, einzustellen und die erforderlichen Geldmittel bereit zu halten (vgl. BFH v. 6.2.1973, VII R 62/70, StRK, § 127 RAO R. 25). Hierzu gehört es, dass der Steuerschuldner gegebenenfalls Vermögenssubstanz angreifen muss (vgl. BFH v. 6.2.1973, VII R 62/70, StRK, § 127 RAO R. 25; BFH v. 21.8.1973, VIII R 8/68, BStBl II 1974, 307; s. auch § 163 Rz. 53a) oder sich die erforderlichen Mittel auf dem Kreditweg zu beschaffen hat (vgl. BFH v. 25.8.1960, IV 317/59, StRK, § 127 RAO R. 8; BFH v. 23.2.1961, IV 307/59, StRK, § 127 RAO R. 10; s. auch Kruse, in T/K, AO, § 222 Rz. 37). Stundungsbedürftigkeit kann demgemäß nur dann angenommen werden, wenn die Finanzierungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind und ein unvorhersehbares Ereignis, wie z. B. Krankheit, eine Naturkatastrophe (zu diesen gibt es i. d. R. Einzelerlasse, die die besonderen Maßnahmen regeln) oder ein erheblicher Forderungsausfall oder andere besondere geschäftliche oder betriebliche Verluste, Einbußen und Schwierigkeiten (z. B. bei Besonderheiten im Saisongeschäft) eingetreten sind, die die momentane Zahlungsfähigkeit beeinträchtigt. Normale saisonbedingte Ertragsschwankungen rechtfertigen, wenn sie branchenüblich sind, eine Stundung nicht, da sie für den Steuerschuldner erkennbar waren und er sich demgemäß hierauf hätte einstellen müssen. Der Steuerschuldner muss auch die vorhandenen Kreditmöglichkeiten ausschöpfen[1] und notfalls leichtverkäufliche Vermögensgegenstände (z. B. Wertpapiere) veräußern.

3.2.2.2 Stundungswürdigkeit

 

Rz. 10

Stundungswürdigkeit liegt vor, wenn der Steuerschuldner seine Zahlungsunfähigkeit nicht selbst herbeigeführt hat und auch nicht durch sein Verhalten in eindeutiger Weise gegen die Interessen der Allgemeinheit verstoßen hat[1]. Nach Auffassung des BFH ist hierbei eine Interessenabwägung anzustellen. Im Hinblick auf die Stpfl., die mit den gebotenen Anstrengungen und unter Einsatz aller Mittel ihren steuerlichen Verpflichtungen pünktlich nachkommen, soll eine Stundung nur dann in Betracht kommen können, wenn der sie begehrende Stpfl. sein Möglichstes zur Abtragung von Steuerrückständen getan hat. Hierbei gehen inbesondere unüberlegtes Finanzgebaren, Nachlässigkeit oder Zahlungsunwilligkeit zu seinen Lasten. Die anderweitige Verwendung vorhandener Geldmittel, ohne Berücksichtigung der bestehenden oder zu erwartenden Steueransprüche, schließt eine Stundung aus. Dies ist z. B. der Fall, wenn betriebliche Investitionen, die nicht unvorhergesehen zur Betriebserhaltung erforderlich geworden sind, vorgenommen werden, oder wenn die Geldmittel zur Anschaffung oder Bildung von Vermögenswerten oder durch besonders hohe Entnahmen zum Lebensunterhalt verwendet wurden. Auch die vorrangige Tilgung von Verbindlichkeiten kann stundungsschädlich sein, wenn hierdurch der öffentlich-rechtliche Gläubiger gegenüber privatrechtlichen Gläubigern benachteiligt worden ist. Die Nichtberücksichtigung saisonbedingter Absatzschwankungen bei der Vornahme weiterer Investitionen, während steuerliche Verpflichtungen nicht unerheblicher Art bestehen oder bevorstehen, ist ebenfalls nicht hinzunehmen[2]. Der Stpfl. muss sich auf anstehende und erwartbare Steuerzahlungen rechtzeitig vorbereiten[3]. Allerdings kann ein ständiges Denken an die Steuern und den Ausschluss von Überraschungen mit ihnen auch nicht gefordert werden. Ändert z. B. das Finanzamt bei einer Veranlagung seine seit Jahren vertretene und angewendete Auffassung und führt dies zu erheblich höheren Abschlusszahlungen, als der Stpfl. nach dem bisherigen Verhalten erwarten musste, so kann von ihm ein Sicherheitsposten auch für diese Abschlusszahlung nicht erwartet werden. In diesem Fall kann sogar eine sachliche Härte angenommen werden (vgl. Rz. 14).

 

Rz. 11

Eine Steuerhinterziehung, eine leichtfertige Steuerverkürzung oder andere steuerliche Pfl...

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