3.1 Allgemeines

 

Rz. 5

Die Vorschrift nennt zwei Voraussetzungen dafür, dass die Finanzbehörde eine positive Ermessensentscheidung für eine vollständige oder teilweise Stundung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis treffen kann:

  • Die Einziehung bei Fälligkeit muss eine erhebliche Härte für den Schuldner bedeuten.
  • Der Anspruch darf durch die Stundung nicht gefährdet erscheinen.

Beide Voraussetzungen, die sich häufig konträr gegenüberstehen und deswegen gegeneinander abgewogen werden müssen[1], sind (kumulativ) nebeneinander zu erfüllen (s. v. Groll, in HHSp, AO, § 222 Rz. 160; Kruse, in T/K, AO, § 222 Rz. 18). Beide Voraussetzungen sind als unbestimmte Rechtsbegriffe ausgestaltet und lassen zwar einen Beurteilungsspielraum, aber keinen Ermessensspielraum zu. Nur bei ihrem Vorliegen kann die Finanzbehörde eine Ermessensentscheidung fällen. Die Stundungsentscheidung ist daher keine reine Ermessensentscheidung. Ein Ermessensspielraum bleibt, wenn die Stundungsvoraussetzungen gegeben sind, nur noch für die des Ob der Gewährung. Dieser Spielraum kann so weit eingeengt sein, dass alle anderen Entscheidungen als die Stundungsgewährung ermessensfehlerhaft wären[2].

Wegen der Anforderungen an die erhebliche Härte, die bei den persönlichen Stundungsgründen (vgl. Rz. 8–11) die Ausschöpfung der Kreditmöglichkeiten voraussetzt, und weil das Fehlen einer Gefährdung des Anspruchs unverzichtbar ist, sind beide Voraussetzungen in relativ wenigen Fällen der persönlichen Stundungsgründe nebeneinander gegeben. Die Finanzbehörden gewähren jedoch i. d. R. großzügiger Stundung sowohl aus persönlichen als auch aus sachlichen Gründen, um die Stpfl. nicht zu Vollstreckungsschuldnern werden zu lassen, denen trotz Gefährdung des Anspruchs und Fehlens einer Sicherheit Vollstreckungsaufschub gewährt werden könnte und würde. Diese Stundungen ohne Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen sind rechtswidrig. Gegen eine großzügigere Auslegung, als sie vor allem in der Rspr. zu § 127 RAO und § 222 gefunden wird, wäre nichts einzuwenden, zumal die Stundungszinsen ein Korrektiv bilden. Ein großzügiges Hinweggehen über die von der Rspr. gefundenen engeren Auslegungsergebnisse führt allerdings die Gefahr eines willkürlichen Handhabens im Einzelfall mit sich, wenn sich die Finanzbehörden nur hin und wieder auf diese Voraussetzungen berufen.

3.2 Erhebliche Härte

 

Rz. 6

Die erhebliche Härte ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Die Entscheidung, ob sie gegeben ist, kann von den Gerichten fast voll (vgl. Rz. 23) nachgeprüft werden. Eine Härte setzt das negative Abweichen des Einzelfalls von den Regelfällen voraus. Damit ist die erhebliche Härte eine relative Größe, bei deren Ermittlung auch das Interesse an einer gleichmäßigen Handhabung zu berücksichtigen ist.

Lit. (vgl. z. B. Rüsken, in Klein, AO, § 222 Rz. 4; Kruse, in T/K, AO, § 222 Rz. 25) und Rspr.[1] unterscheiden für die Härte persönliche und sachliche Stundungsgründe. Diese von der Begründung für Billigkeitserlasse übernommene Differenzierung wird dem Begriff der erheblichen Härte nicht gerecht. Da einerseits eine Stundung auf Grund persönlicher Stundungsgründe wegen der Forderung des Fehlens einer Anspruchsgefährdung praktisch nie vorkommen dürfte, andererseits auch bei den sachlichen Stundungsgründen die persönlichen Verhältnisse des Schuldners herangezogen werden, vermischt die Praxis in Verwaltung und Rspr. häufig die beiden Gründe. Auf die Differenzierung sollte künftig möglichst ganz verzichtet werden. Wegen der Abstellung in der Praxis auf sie wird sie im Folgenden wiedergegeben.

Bei Gesamtschuldnern kommt es nach § 44 Abs. 2 S. 3 für eine Stundung auf die wirtschaftlichen oder sonstigen Stundungsgründe jedes Einzelnen an. Die für einen Gesamtschuldner ausgesprochene Stundung wirkt nicht unmittelbar zugunsten eines anderen Gesamtschuldners (s. § 44 Rz. 23; vgl. auch BFH v. 13.4.1961, IV 362/58 U, StRK, § 127 RAO R. 11).

3.2.1 Vorübergehende Entlastung

 

Rz. 7

Eine Stundung setzt ferner voraus, dass die Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Steuerschuldner bedeuten würde. Das muss eine weit größere Härte sein als die wirtschaftliche Härte, die vielfach mit der Pflicht zum Zahlen von Steuern verbunden ist. Es muss sich also um eine außergewöhnliche Härte handeln. Über die von Kruse, in T/K, AO, § 222 Rz. 25 genannten Fälle, in denen sich der Schuldner nicht rechtzeitig auf die Erfüllung hat vorbereiten können bzw. in denen er sich "augenblicklich in ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnissen befindet", hinaus gibt es weitere Fälle außergewöhnlicher Härte. So kann z. B. die unmittelbar bevorstehende, vom Steuerschuldner zeitlich nicht zu beeinflussende Verrechnungsmöglichkeit mit einer größeren Forderung des Steuerschuldne...

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