Rz. 12

Die eigentlichen Fälligkeitsbestimmungen des § 220 AO beziehen sich auf die von den jeweiligen Einzelsteuergesetzen nicht geregelten Bereiche. Sie gehen von der Fälligkeit bei Entstehung aus und treffen dann mit der Zahlungsfrist laut Leistungsgebot[1] und Bekanntgabe der Festsetzung davon abweichende Fälligkeiten.

3.2.1 Entstehung des Anspruchs (§ 220 Abs. 2 S. 1 Halbs. 1 AO)

 

Rz. 13

Grundsätzlich wird nach § 220 Abs. 2 S. 1 Halbs. 1 AO ein Anspruch bei Fehlen einer gesetzlichen Regelung zur Fälligkeit bereits mit seiner Entstehung fällig. Die Fälligkeit mit Entstehung ist eine von § 271 Abs. 1 BGB abgeleitete Auffangregelung.[1] Eine Fälligkeit vor Entstehung ist nicht denkbar, sodass die sofortige Fälligkeit mit der Entstehung die früheste Lösung ist.[2] Die Anwendungsfälle, die für diese Auffangregelung übrig bleiben, sind allerdings recht selten, da entweder bereits Bestimmungen in den jeweiligen Einzelsteuergesetzen vorhanden sind oder die besonderen Regelungen des Abs. 2 in S. 1 Halbs. 2 und in S. 2 eingreifen.

 

Rz. 14

Anwendungsfälle des § 220 Abs. 2 S. 1 Halbs. 1 AO gibt es z. B. bei Erstattungsansprüchen nach § 37 Abs. 2 AO, bei denen eine Steuerfestsetzung nicht in Betracht kommt und ein Zahlungsanspruch aus der Zahlung einer Steuer, eines Haftungsbetrags oder einer steuerlichen Nebenleistung ohne rechtlichen Grund[3] folgt. Hier entsteht der Erstattungsanspruch durch Tatbestandsverwirklichung und wird mit der Entstehung fällig.[4] Gleiches gilt für den entsprechenden Rückforderungsanspruch des FA nach § 37 Abs. 2 AO.[5] Wird der Erstattungsanspruch erst nach einer Festsetzung errechnet, so ist der Festsetzungszeitpunkt maßgebend (Abs. 2 S. 2; s. Rz. 19).

 

Rz. 15

Säumniszuschläge werden ebenfalls bereits mit der Entstehung (Verwirkung) fällig, da sie weder festgesetzt werden noch über sie ein Leistungsgebot ergehen muss.[6]

 

Rz. 16

Die Entstehung der Ansprüche aus dem Schuldverhältnis ist in § 38 AO geregelt. Danach entstehen die Ansprüche, "sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft". Ansprüche, deren Entstehung von einer Ermessensentscheidung der Finanzbehörde abhängt, passen nicht unter diese Formulierung. Das gilt z. B. für Verspätungszuschläge und Zwangsgelder.[7] Da die Ermessensentscheidung durch die Festsetzung dieser steuerlichen Nebenleistungen getroffen wird, ist Abs. 2 S. 2 anzuwenden. Die Fälligkeit tritt mit Bekanntgabe der Festsetzung ein.[8]

[1] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 220 AO Rz. 5
[2] BFH v. 21.7.1955, III 55/54 V, BStBl III 1955, 298; BFH v. 3.6.1981, II R 78/80, BStBl II 1981, 758; Alber, in HHSp, AO/FGO, § 220 AO Rz. 40.
[3] Z. B. als Doppelzahlung oder Zahlung nach Zahlungsverjährung bzw. Billigkeitserlass; s. auch Alber, in HHSp, AO/FGO, § 220 AO Rz. 43ff.; Koenig/Klüger, AO, 4. Aufl. 2021, § 220 Rz. 7.
[6] § 254 Abs. 2 S. 1 AO; vgl. FG Hamburg v. 24.10.1989, II 117/86, EFG 1990, 458; so auch Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 220 AO Rz. 7.
[7] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 220 AO Rz. 6.
[8] Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 220 AO Rz. 6; differenzierend Klein/Rüsken, AO, 15. Aufl. 2020, § 220 Rz. 10.

3.2.2 Ausnahme bei Leistungsgebot (§ 220 Abs. 2 S. 1 Halbs. 2 AO)

 

Rz. 17

Eine Ausnahme von der Fälligkeit bei Entstehung normiert § 220 Abs. 1 S. 1 Halbs. 2 AO. Wird ein Leistungsgebot nach § 254 AO erteilt, so enthält dieses meist eine Zahlungsfrist. Da das Ende dieser Frist nach dem Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis liegt, muss dieses Fristende für die Fälligkeit dem Zeitpunkt der Entstehung vorgehen.[1] Für Haftungsbescheide ist dabei das Leistungsgebot in der Zahlungsaufforderung (Zahlungsinanspruchnahme) zu sehen.[2]

 

Rz. 18

Zu beachten ist allerdings, dass die Zahlungsfrist im Leistungsgebot im Einzelfall mit anderen Fälligkeitsregeln kollidieren kann. Ein Leistungsgebot wird meist im Anschluss an eine Festsetzung und ggf. Abrechnung im zeitlichen Zusammenhang und meist in einer gemeinsamen Urkunde mit ihnen erteilt.[3] Besteht eine gesetzliche Fälligkeitsregelung für die (z. B. Abschluss-)Zahlung, wie z. B. nach § 36 Abs. 4 S. 1 EStG, so geht diese vor. Eine – in der Praxis nicht selten vorkommende – im Leistungsgebot enthaltene längere Frist (meist wenige Tage) ändert nichts an der gesetzlichen Fälligkeit nach dem EStG, da Abs. 2 S. 1 auch mit der Regelung der Frist gemäß Leistungsgebot nur für den Fall des Fehlens einer gesetzlichen Regelung gilt.[4] Das ist im geschilderten Fall nicht gegeben. Umgekehrt bleibt es auch dann bei der gesetzlichen Frist, wenn ausnahmsweise das Leistungsgebot eine kürzere Zahlungsfrist enthält und kein Fall des § 221 AO gegeben ist.

[1] Koenig/Klüger, AO, 4. Aufl. 2021, § 220 Rz. 8.
[4] Klein/Rüsken, AO, 14. Au...

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