Rz. 11

Der Außenprüfer hat die Aufgabe, die steuerlichen Verhältnisse zu erforschen. Dabei kann es vorkommen, dass die Aufdeckung steuerlich relevanter Sachverhalte auch straf- oder bußgeldrechtliche Bedeutung erlangt. Das Außenprüfungsverfahren kollidiert dabei mit dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren.[1] Beide Verfahren sind grundsätzlich selbstständig voneinander; einen Vorrang des einen Verfahrens gibt es nicht. Beide Verfahren können auch nebeneinander durchgeführt werden.

 

Rz. 11a

Da die Stellung des Stpfl. im Außenprüfungsverfahren wesentlich anders ist als die des Beschuldigten im Steuerstrafverfahren, ist es von besonderer Bedeutung, beide Verfahren gegeneinander abzugrenzen. Konkret bedeutet dies, dass eindeutig festgelegt werden muss, zu welchem Zeitpunkt das Steuerstrafverfahren nach § 397 Abs. 1 AO eingeleitet worden ist, da dies dem Beschuldigten mitzuteilen ist, wenn er zur Mitwirkung an der Aufklärung aufgefordert wird, i. d. R. also, wenn der Prüfer seine Prüfung nach der Einleitungshandlung fortsetzt, soweit sich die Prüfung auf die Straftat bezieht.[2] Der Stpfl. ist weiterhin nach § 393 Abs. 1 S. 4 AO darüber zu belehren, dass im Steuerermittlungsverfahren Zwangsmittel gegen ihn nicht eingesetzt werden können. Die Verletzung dieser Belehrungspflicht führt jedoch nicht zu einem Verwertungsverbot im Besteuerungsverfahren; das Gesetz enthält ein solches Verwertungsverbot nicht. Die Frage des Verwertungsverbots ist im Steuerermittlungsverfahren nach steuerrechtlichen, im Steuerstrafverfahren nach strafrechtlichen Kriterien zu entscheiden. Das Steuerrecht kennt jedoch kein allgemeines Verwertungsverbot bei Verletzung der Belehrungspflichten. Das ergibt sich daraus, dass auch bei Einleitung eines Strafverfahrens die steuerlichen Mitwirkungspflichten bestehen bleiben; die Ermittlungsmöglichkeiten der Finanzverwaltung sollen also nicht eingeschränkt werden. Damit wäre ein Verwertungsverbot für das Ermittlungsverfahren nicht vereinbar.[3] Insbesondere ist § 136a StPO (Täuschung) nicht auf die unterlassene Belehrung anzuwenden. Die unterlassene Belehrung kann jedoch dazu führen, dass die Feststellungen strafrechtlich nicht mehr verwertet werden dürfen (strafprozessuales Verwertungsverbot); auf das Steuerrecht kann dies aber nicht übertragen werden.

 

Rz. 11b

Unzweifelhaft ist in diesem Zusammenhang, dass der Außenprüfer die Prüfung fortsetzen darf, auch soweit die Sachverhalte betroffen sind, wegen denen der Verdacht einer Straftat besteht. Die AO kennt insoweit kein Verbot, das Verwaltungsverfahren fortzusetzen.[4] Allerdings liegt in diesem Verhalten des Außenprüfers die Einleitung des Strafverfahrens. Die Fortsetzung der Außenprüfung zur Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse ist dann, trotz Einleitung des Strafverfahrens, selbst noch nicht Strafverfahren; beide Verfahren sind jeweils selbstständig und können nebeneinander betrieben werden.[5] Jedoch hat der Außenprüfer, auch wenn er steuerlich, nicht strafrechtlich ermittelt, § 393 Abs. 1 S. 2, 4 AO zu beachten.[6]

 

Rz. 11b

Für das Verfahren bei Bestehen des Verdachts einer Steuerordnungswidrigkeit gelten entsprechende Grundsätze.[7]

 

Rz. 12

Andererseits kann es im Interesse einer zügigen Abwicklung der Außenprüfung liegen, wenigstens die Sachverhalte, bei denen kein strafrechtlicher oder bußgeldrechtlicher Verdacht besteht, in Zusammenarbeit mit dem Stpfl. und unbelastet von der Frontstellung, die ein Strafverfahren mit sich bringt, zu Ende zu prüfen.[8] Da das Gesetz dieses Problem nicht löst, unternimmt § 10 BpO den Versuch einer Abgrenzung. Danach ist bei dem Verdacht einer Steuerstraftat bzw. -ordnungswidrigkeit unverzüglich die für die Bearbeitung zuständige Stelle (z. B. Strafsachenstelle) zu unterrichten. Soweit der Verdacht reicht, dürfen die Ermittlungen erst fortgesetzt werden, wenn dem Beschuldigten die Einleitung des Steuerstraf- oder Bußgeldverfahrens mitgeteilt worden ist.

 

Rz. 13

Diese Regelung wirft erhebliche Fragen auf. So muss geklärt werden, was ein "Verdacht" ist. Dazu können die Grundsätze des koordinierten Ländererlasses v. 31.8.2009, BStBl I 2009, 829, herangezogen werden (obwohl dieser Erlass in etwas anderem Zusammenhang erlassen wurde, nämlich hinsichtlich einer etwaigen Verantwortung des Prüfers für eine Strafvereitelung). Für einen "Verdacht" reicht ein Argwohn noch nicht aus. Daher liegt in Prüfungshandlungen aufgrund von ersten, verschwommenen und nicht konkretisierten Misstrauensregungen noch keine Einleitung des Strafverfahrens. Unstimmigkeiten in der Buchführung begründen allein noch keinen strafrechtlichen Verdacht. Der Prüfer darf den Stpfl. befragen, ohne ein Strafverfahren einzuleiten. Erst wenn der Stpfl. keine Aufklärung zu geben vermag, sondern im Gegenteil versucht, Ausflüchte zu machen, oder wenn es nach Ansicht des Prüfers nahezu ausgeschlossen erscheint, dass ein Versehen vorliegt, besteht ein Verdacht. Solange der Prüfer also glaubt, lediglich ein Versehen aufzuklären, gelten die Regeln über die Außen...

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