Rz. 47

Mehrere Haftende für denselben Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis[1] sind Gesamtschuldner, der Steuerschuldner und die Haftungsschuldner sind (unechte) Gesamtschuldner.[2]  Die Finanzbehörde hat in der Begründung[3] darzustellen, ob mehrere Haftungsschuldner vorhanden sind. Hierbei ist sie von Amts wegen verpflichtet, die in der Behörde insgesamt vorhandenen Akten auf Haftungsmöglichkeiten durchzusehen ([4]  Fehlt diese Darstellung, so ist regelmäßig von einer Nichtausübung des Auswahlermessens und damit einer "Ermessensunterschreitung" auszugehen. )[5] . Bei der Begründung des Auswahlermessens ist die Finanzbehörde aber nicht gehalten, dieses auf Personen zu erstrecken, welche als Haftungsschuldner nicht ernsthaft in Betracht kommen.[6]  Der Hinweis auf die weiteren Haftungsschuldner ist zudem ausnahmsweise dann entbehrlich, wenn sicher ist, dass der in Anspruch Genommene die weiteren Haftungsschuldner und ihre Inanspruchnahme kennt[7], oder im Fall der Haftung nach § 71 AO, wenn keine Gründe für die vorrangige Inanspruchnahme des möglichen weiteren Haltungsschuldners erkennbar sind.[8] Insbesondere ist bei vorsätzlicher Verwirklichung des Haftungstatbestands[9] bzw. bei Verwirklichung des Tatbestands einer Steuerhinterziehung die Ausübung des Auswahlermessen nicht näher zu begründen.[10]

Das Auswahlermessen muss auch nicht näher begründet werden, wenn eine Realisierung des Steueranspruchs bei anderen Personen nicht möglich ist.[11] Die Ausübung des Auswahlermessens, einschließlich der Begründung[12] , zwischen mehreren Haftungsschuldnern beschränkt sich nicht nur auf die Haftungsschuldner, die denselben Haftungstatbestand verwirklicht haben. Es sind in die Ermessenserwägungen auch diejenigen Haftenden einzubeziehen, die nach anderen Haftungsvorschriften für denselben Primäranspruch[13] haften.[14]

 

Rz. 47a

Die Finanzbehörde kann grundsätzlich alle Mithaftenden in Anspruch nehmen.[15]  Werden alle Haftungsschuldner gleichmäßig und in voller Höhe in Anspruch genommen, ist eine Begründung hierfür nicht erforderlich.[16]  Einer Begründung bedarf es auch dann nicht, wenn mehrere Haftungsschuldner durch getrennte Haftungsbescheide in Anspruch genommen werden und den einzelnen Haftungsschuldnern bekannt ist, dass die anderen Haftungsschuldner ebenfalls in Anspruch genommen werden[17] oder sie die Vermögenslosigkeit eines nicht in Anspruch genommenen potenziellen Haftenden kennen[18] Einer Begründung bedarf es auch nicht, wenn ein inländischer und ein ausländischer Gesamtschuldner zur Auswahl stehen. Hier soll sich die Finanzbehörde wegen der leichteren Durchsetzbarkeit der Ansprüche auf die Inanspruchnahme des inländischen Gesamtschuldners beschränken können.[19] Allerdings ist in diesem Zusamenhang zu bedenken, dass innerhalb der EU die Vollstreckungsmöglichkeiten zunehmend einfacher geworden sind, so dass die Finanzbehörde diesen Umstand zunehmend bei der Ermessensausübung mit einbeziehen muss.

 

Rz. 47b

Die Finanzbehörde kann in Ausübung ihres Ermessens zwischen den Gesamtschuldnern auswählen, gegen wen sie den Haftungsanspruch in welcher Höhe geltend macht. Die Finanzbehörde hat in der Begründung[20] darzustellen, warum sie mehrere Haftungsschuldner unterschiedlich behandelt.[21]  Das Steuergeheimnis gem. § 30 AO steht dieser Darstellung nicht entgegen.[22] Ohne diese Darstellung der Auswahlerwägungen ist der Haftungsbescheid regelmäßig rechtswidrig.[23] Die Darstellung hat spätestens in der Einspruchsentscheidung zu erfolgen.[24]

Es ist regelmäßig nicht ermessensfehlerhaft, alle Haftenden als Gesamtschuldner in gleicher Höhe in Anspruch zu nehmen.[25] Ist jedoch die Haftungsschuld durch einen Haftungsschuldner getilgt, wäre es unzulässig, weitere Leistungsgebote gegen die übrigen Haftungsschuldner zu erlassen.

Einer besonderen Begründung bedarf es insoweit nicht, wenn die Haftung auf derselben Haftungsnorm[26] beruht.[27] Bei der unterschiedlichen Inanspruchnahme muss ggf. auch die unterschiedliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Mithaftenden berücksichtigt werden, sofern für die Finanzbehörde gravierende Unterschiede erkennbar sind .[28] Ein für die Auswahl wesentliches Kriterium der Entscheidung wird der Grad des Verschuldens des einzelnen Haftungsschuldners sein.[29] Weitgehend unerheblich ist aber für die Haftung, ob der Haftende im Zuge einer unentgeltlichen, ehrenamtlichen Tätigkeit den Haftungstatbestand erfüllt hat.[30]

Haftet einer von mehreren Haftungsschuldnern aufgrund einer Steuerhinterziehung, so wird dieser stets vorrangig in Anspruch zu nehmen sein.[31]. Der Steuerhinterzieher ist auch dann zur Haftung heranzuziehen, wenn die Hinterziehung zum Vorteil eines Dritten begangen wurde.[32]  Insofern muss die Finanzbehörde regelmäßig auch nicht nach der Rolle der Tatbeteiligten differenzieren bzw. danach, welchen Nutzen sie aus der Tat gezogen haben.[33] Wegen des Schadensersatzcharakters der Haftung nach § 71 AO haftet der Täter oder Teilnehmer einer Steuerhinterziehung lediglich in Höhe ...

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