Rz. 29a

Im Einspruchsverfahren kann der Beteiligte alle Einwendungen gegen den festgesetzten Haftungsanspruch bzw. dessen Geltendmachung erheben. Er kann z. B. einwenden, dass

  • die haftungsbegründenden Tatbestandsmerkmale der Haftungsnorm[1] nicht erfüllt seien[2];
  • der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis, für den gehaftet werden soll[3], nicht entstanden[4]. , zu hoch festgesetzt[5] oder berechnet[6] bzw. erloschen sei.[7]

    Eine Bindung des Haftungsschuldners an eine vorliegende Festsetzung besteht regelmäßig nicht[8], eine Ausnahme ist allerdings in den Fällen des § 166 AO gegeben.[9]  Der Beteiligte kann gegen den der Haftung zugrunde liegenden Anspruch[10] sämtliche Einwendungen erheben, auch wenn infolge der Bestandskraft des Steuerbescheids der Steuerschuldner selbst diese Einwendungen nicht mehr geltend machen kann.[11]  Insoweit besteht die Haftung nur für den kraft Gesetzes entstandenen Primäranspruch[12]

    Behauptet der Haftungsschuldner das Erlöschen des Primäranspruchs[13], so trifft ihn hierfür die Beweislast.[14]  Die Finanzbehörde muss nur darlegen, welche Zahlungen auf die Schuld geleistet wurden.[15]  Auf das Erlöschen des Primäranspruchs durch Verjährung oder Erlass kann sich aber nach § 191 Abs. 5 S. 2 AO nicht der Steuerhinterzieher oder Steuerhehler als Haftungsschuldner berufen.[16];

  • die Geltendmachung des Haftungsanspruchs nach § 191 Abs. 2 AO gehemmt[17] oder nach § 191 Abs. 3 und 5 AO ausgeschlossen sei[18] ;
  • bereits ein Haftungsbescheid für denselben Sachverhalt vorliegt und demgemäß die weitere oder ergänzende Geltendmachung eines Haftungsanspruchs ausgeschlossen sei[19];
  • die Ermessensausübung der Finanzbehörde[20] bei der Geltendmachung des Haftungsanspruchs fehlerhaft sei oder eine solche überhaupt nicht vorliege.[21] Bei der Haftung für Gewerbesteuer aber auch ggf. für Kirchensteuer entsprechend den landesrechtlichen Bestimmungen in den KiStG ist das Widerspruchsverfahren nach §§ 68ff. VwGO gegeben.[22]
 

Rz. 29b

Im Einspruchsverfahren gegen den Haftungsbescheid sind Einwendungen gegen andere mit dem Bescheid verbundene Verwaltungsakte[23] nicht zulässig. Die Nichtbeachtung der sich aus § 219 AO ergebenden Einschränkung für den Erlass des Leistungsgebots ist mit dem Einspruch gegen das Leistungsgebot selbst geltend zu machen.[24] . Im Verfahren gegen das Leistungsgebot[25] sind umgekehrt Einwendungen gegen den Haftungsbescheid auch nicht zulässig.[26]

[1] S. Rz. 9.
[2] Halaczinsky, Die Haftung im Steuerrecht, 4. Aufl. 2013, Rz. 660; FG München v. 17.6.2004, 15 K 2725/04, EFG 2004, 1707 bei der Gesellschafterhaftung für den Einwand des Nichtbestehens der Gesellschaft.
[3] S. Rz. 10.
[4] S. Rz. 10a.
[5] S. Rz. 11a, 13a.
[6] S. Rz. 11.
[7] Wegen der Berücksichtigung zwischenzeitlicher Zahlungen auf die Steuerschuld s. Rz. 12; Halaczinsky, Die Haftung im Steuerrecht, 4. Aufl. 2013, Rz. 660.
[8] S. Rz. 11a, 13a.
[9] S. Rz. 11b; Halaczinsky, Die Haftung im Steuerrecht, 4. Aufl. 2013, Rz. 660.
[10] S. Rz. 10.
[11] S. aber Rz. 11b; Halaczinsky, Die Haftung im Steuerrecht, 4. Aufl. 2013, Rz. 660.
[12] S. Rz. 10; vgl. auch z. B. VGH Baden-Württemberg v. 11.10.2001, 2 S 2429/99, DÖV 2002, 213 für die Bindung an den GewSt-Messbescheid und den GewSt-Bescheid.
[13] S. Rz. 12.
[14] FG Berlin v. 6.6.1969, III 402/67, EFG 1970, 95, 96.
[15] FG Bremen v. 17.3.1992, II 135/86 K, EFG 1992, 496; ansonsten vgl. zur Beweislastverteilung im Haftungsverfahren auch BFH v. 9.10.1985, I R 15482, BFH/NV 1986, 321 wonach das FA für die haftungsbegründenden Tatsachen die Beweislast trägt; vgl. auch FG Hamburg v. 16.7.2014, 3 K 240/13, Haufe-Index 7416942; BFH v. 12.8.2009, XI R 4/08, BFH/NV 2010, 393; BFH v. 26.9.2017, VII R 40/16, BeckRS 2017, 135710 nach Sphären.
[16] Halaczinsky, die Haftung im Steuerrecht, 4. Auf. 2013, Rz. 660.
[17] S. Rz. 48.
[18] S. Rz. 51, 62.
[19] S. Rz. 48.
[20] S. Rz. 35.
[21] Klein/Rüsken, AO, 13. Aufl. 2016, § 191 Rz. 115.
[22] Halaczinsky, Die Haftung im Steuerrecht, 4. Aufl. 2013, Rz. 666; Klein/Rüsken, AO, 13. Aufl. 2016, § 191 Rz. 118.
[23] S. Rz. 29.
[24] S. Rz. 42; Halaczinsky, Die Haftung im Steuerrecht, 4. Aufl. 2013, Rz. 659.
[25] S. Rz. 4a, 15b.

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