Rz. 10a

Der Haftungsanspruch selbst kann nur entstehen, wenn der Primäranspruch[1] entstanden ist.[2] Er kann auch grundsätzlich erst mit Entstehung des Primäranspruchs geltend gemacht werden, sofern die übrigen Haftungsvoraussetzungen erfüllt sind[3]; ausgenommen § 76 Abs. 2 AO für die Sachhaftung der verbrauchsteuerpflichtigen Waren, was damit zusammenhängt, dass es hier nur um ein dingliches Verwertungsrecht geht.[4]

 

Rz. 11

§ 191 Abs. 3 S. 4 und Abs. 5 AO stellen klar, dass die steuerliche Festsetzung des materiell existenten Primäranspruchs[5] für den Erlass des Haftungsbescheids nicht vorausgesetzt wird.[6] Es ist demgemäß unerheblich, ob eine Steuerfestsetzung vorliegt, eine vorliegende Steuerfestsetzung endgültig oder nach §§ 164, 165 AO bedingt bzw. bestandskräftig oder angefochten ist.[7] Unerheblich ist es also auch, dass eine festgesetzte Steuer gem. § 162 AO (ordnungsgemäß) geschätzt worden ist.[8]

Nicht vorausgesetzt wird demgemäß auch die Fälligkeit oder die Vollziehbarkeit des Primäranspruchs.[9] Die Aussetzung der Vollziehung des Primäranspruchs nach § 361 AO bzw. § 69 FGO hindert nicht die Verwirklichung des Haftungstatbestands und den Erlass des Haftungsbescheids[10] Anders verhält es sich aber, wenn es um die Haftung für einen Rückerstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO geht. Hier muss aufgrund formeller Bescheidlage (Aufhebung bzw. Änderung der ursprünglichen Steuerfestsetzung) beim Stpfl. als Primärschuldner festgestellt sein, dass der Erstattungsanspruch nicht bestand.[11]

 

Rz. 11a

Die vorliegende Festsetzung des Primäranspruchs[12] begrenzt zwar die Höhe der Haftungsinanspruchnahme[13], ist aber im Übrigen für die Höhe des Haftungsanspruchs grundsätzlich nicht verbindlich.[14] Eine Bindungswirkung kann sich jedoch im Fall der Hinzuziehung gem. § 360 AO bzw. Beiladung nach § 60 FGO des Haftungsschuldners zum Einspruchsverfahren bzw. zum Klageverfahren des Steuerschuldners gegen die Anspruchsfestsetzung ergeben.

 

Rz. 11b

Eine Bindungswirkung an die Steuerfestsetzung ergibt sich für den Haftungsschuldner über § 166 AO. Hiernach muss derjenige eine dem Steuerschuldner gegenüber unanfechtbare Steuerfestsetzung gegen sich gelten lassen, der in der Lage gewesen wäre, den erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten. Diese Ausnahme gilt auch für den Haftungsschuldner.[15] Die Bindungswirkung ist abhängig vom Umfang der Vertretungsmacht, d. h. ist der Vertreter nicht (allein) in der Lage, gegen die Steuerfestsetzung vorzugehen, greift § 166 AO nicht, dabei kommt es auf die rechtliche Befugnis an, gegen den Steuerbescheid vorzugehen.[16]

Hat ein Geschäftsführer einer GmbH namens der GmbH die Änderung eines ihr gegenüber unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 AO ergangenen Steuerbescheids beantragt, ist er im Verfahren wegen der Haftung für gegenüber der GmbH festgesetzte Steuer nicht mit Einwendungen gegen die Richtigkeit der Steuerfestsetzung ausgeschlossen, solange der Vorbehalt wirksam ist.[17]

§ 166 AO greift auch, wenn ein GmbH-Geschäftsführer es widerspruchslos hinnimmt, wenn eine Steuerforderung zur Insolvenztabelle festgestellt wird, obgleich es ihm möglich gewesen wäre, hiergegen vorzugehen.[18]

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