Rz. 15

Ist auch kein zur Vertretung oder Verwaltung Berechtigter bestellt, kann die Finanzbehörde die Beteiligten auffordern, binnen einer bestimmten angemessenen Frist einen Empfangsbevollmächtigten zu bestellen. Nach Abs. 1 S. 4 ist in dieser Aufforderung ein Beteiligter als Empfangsbevollmächtigter vorzuschlagen. Die Aufforderung ist an alle Beteiligten zu richten und ihnen bekannt zu geben. Vorschlagen eines Nichtbeteiligten ist nicht zulässig und bringt nicht die Rechtswirkungen des § 183 Abs. 1 S. 3 AO hervor. Bekanntgabe an eine solche Person wirkt also nicht als Bekanntgabe an die Beteiligten. Weiter ist in dieser Aufforderung darauf hinzuweisen, dass an den Benannten mit Wirkung für und gegen alle Beteiligten Bekanntgaben vorgenommen werden, wenn sich die Beteiligten nicht doch noch während der gesetzten Frist auf einen gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten einigen.

Diese Aufforderung muss an alle Beteiligten ergehen, also auch allen bekannt gegeben werden.

 

Rz. 16

Bestellen die Beteiligten auf diese Aufforderung hin einen gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten, ist dieser rechtsgeschäftlich bestellter Empfangsbevollmächtigter nach Abs. 1 S. 1, sodass die diesbezüglichen Regeln Anwendung finden. Dieser Empfangsbevollmächtigte braucht kein Beteiligter zu sein.

Bestellen sie keinen Empfangsbevollmächtigten, gilt der von der Finanzbehörde vorgeschlagene Beteiligte als Empfangsbevollmächtigter (fingierte Empfangsvollmacht). Um diese Rechtsfolge auszuschließen, genügt es nicht, dass die Beteiligten jeder für sich einen Bevollmächtigten benennen.[1] Die Formulierung "ein Empfangsbevollmächtigter" bezieht sich sprachlich wie sachlich eindeutig auf den Ausdruck "gemeinsamer Empfangsbevollmächtigter" in S. 1. Die gegenteilige Ansicht hätte zur Folge, dass jeder Beteiligte einen eigenen Bevollmächtigten bestellen würde, obwohl er selbst leicht zu erreichen wäre. Damit würden an die Stelle mehrerer Beteiligter nur mehrere Bevollmächtigte treten. Zweck der Vorschrift ist aber, eine Verfahrensvereinfachung dadurch zu erreichen, dass der Finanzverwaltung nur eine Person, der Empfangsbevollmächtigte, gegenübertritt, nicht aber, eine Vertretung der Beteiligten zu erzwingen. Dieser Gesetzeszweck wird nur erreicht, wenn ein gemeinsamer Bevollmächtigter bestellt wird.

 

Rz. 17

In der Aufforderung muss den Beteiligten eine bestimmte Frist gesetzt werden, binnen deren sie einen Empfangsbevollmächtigten rechtsgeschäftlich bestellen können. Bestimmt ist diese Frist, wenn sich ihr Ablauf kalendermäßig errechnen lässt. Es müssen also Anfang und Ende der Frist und ihre Dauer feststellbar angegeben werden oder ein festes Datum, das das Fristende bezeichnet. Wird diese Frist nicht gesetzt oder ist sie nicht bestimmt genug, ist die Aufforderung nicht wirksam, d. h., es kann nicht nach Abs. 1 S. 3 wirksam bekannt gegeben werden.

Die Frist, die den Beteiligten gesetzt wird, muss angemessen sein. Das ist der Fall, wenn sie so bemessen ist, dass die Beteiligten Gelegenheit haben, sich auf einen rechtsgeschäftlich zu bestellenden Empfangsbevollmächtigten zu einigen. Die notwendige Länge der Frist hängt also von den Umständen der Gesellschaft/Gemeinschaft ab, insbesondere die Zahl der Beteiligten. Bei vielen Beteiligten muss die Frist länger sein als bei wenigen Beteiligten.

 

Rz. 18

Nach ergebnislosem Ablauf der wirksam gesetzten Frist kann die Finanzbehörde zwar Bekanntgaben an den von ihr benannten Beteiligten vornehmen, die Beteiligten haben aber noch jederzeit die Möglichkeit, sich doch noch auf einen gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten zu einigen. Dann hat die Finanzbehörde an diesen bekannt zu geben. Durch das Verfahren nach Abs. 1 S. 3 wird somit die rechtsgeschäftliche Bestellung eines Empfangsbevollmächtigten nicht ausgeschlossen.[2]

Die Wirkung, dass der von der Finanzbehörde Vorgeschlagene als Empfangsbevollmächtigter gilt, tritt nur für die positiv Beteiligten ein. Die Wirkung tritt daher nicht für denjenigen ein, der nicht Beteiligter ist, auch wenn er, die anderen Beteiligten oder die Finanzbehörde ihn als Beteiligten ansehen. Daher kann von dieser Möglichkeit für negative Feststellungsbescheide kein Gebrauch gemacht werden.[3]

[1] So auch Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 183 AO Rz. 87; Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 183 AO Rz. 17; Kunz, in Gosch, AO/FGO, § 183 AO Rz. 11.
[2] Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 183 AO Rz. 88; Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 183 AO Rz. 16.
[3] Zu negativen Feststellungsbescheiden Frotscher, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 179 AO Rz. 43ff.

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