Rz. 7

Die Bindung tritt ein, "soweit" die Feststellungen für Folgebescheide von Bedeutung sind. Inwieweit dies der Fall ist, ergibt sich aus der gesetzlichen Regelung der einzelnen Feststellungen, den im Verfügungsteil des Feststellungsbescheids getroffenen Feststellungen und der abhängigen Steuerarten.[1] Die Feststellung, ob eine Aussage im Verfügungsteil getroffen worden und damit bindend ist, oder nur in der Begründung des Feststellungsbescheids, ist durch Auslegung zu treffen. Entsprechend § 133 BGB ist maßgebend, wie ein verständiger Empfänger nach den ihm bekannten Umständen den Bescheid unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste.[2] In zeitlicher Hinsicht tritt die Bindung ein, wenn der Feststellungsbescheid nach § 124 Abs. 1 AO wirksam wird. Bestandskraft des Feststellungsbescheids ist für den Eintritt der Bindungswirkung nicht erforderlich.[3]

 

Rz. 8

"Von Bedeutung" für den Folgebescheid sind die getroffenen Feststellungen, soweit die in dem Grundlagenbescheid festgestellten Besteuerungsgrundlagen Tatbestandsvoraussetzungen für die Festsetzungen des Folgebescheids sind.

 

Rz. 9

Eine Bindung kann nur eintreten, soweit in dem Feststellungsbescheid über die Besteuerungsgrundlagen entschieden ist, also innerhalb des jeweiligen persönlichen, sachlichen und zeitlichen Regelungsbereichs.[4] Die Bindungswirkung des Grundlagenbescheids reicht damit so weit wie der mögliche, d. h. zulässige, Inhalt des Grundlagenbescheids.[5] Innerhalb dieser Reichweite ist die Bindungswirkung absolut, d. h. das FA des Folgebescheids hat insoweit keine eigene Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis und kann von den Entscheidungen im Grundlagenbescheid innerhalb des persönlichen, sachlichen und zeitlichen Regelungsbereichs nicht abweichen.[6] Die Bindungswirkung erfasst alle tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Beurteilungen, die im Rahmen des Regelungsbereichs des Feststellungsbescheids getroffen worden sind. Das gilt auch für die Frage, ob eine bestimmte gesetzliche Regelung europarechtswidrig ist. Die Europarechtswidrigkeit einer im Grundlagenbescheid zu treffenden Entscheidung kann nur im Rahmen des Grundlagenbescheids, nicht durch Anfechtung des Folgebescheids, geltend gemacht werden.[7]

 

Rz. 10

Andererseits besteht die Bindungswirkung nur innerhalb des Regelungsbereichs des Grundlagenbescheids, bei der einheitlichen Gewinnfeststellung also nur, soweit die Einkünfte gemeinsam erzielt worden sind, einschließlich der Faktoren, die unmittelbar mit der gemeinschaftlichen Erzielung von Einkünften zusammenhängen, wie Sonderbetriebsausgaben und Sonderbetriebsvermögen. Dagegen werden Besteuerungsgrundlagen, die im persönlichen Bereich eines Gesellschafters verwirklicht werden, nicht von der Feststellungswirkung erfasst. Das kann dazu führen, dass auf der Ebene des Gesellschafters im einheitlichen Feststellungsbescheid verwirklichte Besteuerungsgrundlagen im Folgebescheid umzuqualifizieren sind, wenn sich durch das Hinzutreten der persönlich verwirklichten Besteuerungsgrundlagen eine andere steuerliche Behandlung ergibt. Beispiel ist etwa die Umqualifizierung eines begünstigten Veräußerungsgewinns aus einer vermögensverwaltenden Grundstücksgesellschaft in einen nicht begünstigten laufenden Gewinn, wenn sich durch eigene Grundstücksgeschäfte des Gesellschafters bei ihm ein gewerblicher Grundstückshandel ergibt. Ein weiterer Fall liegt vor, wenn der Gesellschafter aufgrund seiner Rechtsform die Begünstigung des Veräußerungsgewinns nicht in Anspruch nehmen kann.[8]

 

Rz. 11

Die Bindungswirkung hat eine "positive" und eine "negative" Komponente. Die positive Komponente bedeutet, dass innerhalb des persönlichen, sachlichen und zeitlichen Regelungsbereichs getroffene Entscheidungen des Grundlagenbescheids unverändert und ohne erneute Prüfung in den Folgebescheid zu übernehmen sind. Diese Bindungswirkung besteht für alle ausdrücklich getroffenen Entscheidungen, sowohl für positive als auch für negative Feststellungen.[9] Das gilt auch, wenn eine Feststellung unrichtig getroffen worden, der Grundlagenbescheid also rechtswidrig ist. Der für den Folgebescheid zuständigen Finanzbehörde steht insoweit keine Prüfungskompetenz zu. Im Folgebescheid darf von dem Inhalt des Grundlagenbescheids nur abgewichen werden, wenn dieser zurückgenommen worden oder wenn er nichtig ist (hierzu Rz. 23). Daher ist auch der unrichtige Inhalt des Feststellungsbescheids in den Folgebescheid zu übernehmen, solange er nicht geändert worden ist. Die Bindung des Folgebescheids an den Grundlagenbescheid gilt also sowohl für rechtmäßige wie für nicht rechtmäßige, aber nicht nichtige, Grundlagenbescheide. Die Bindungswirkung tritt auch ein, wenn der Grundlagenbescheid noch nicht bestandskräftig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO oder vorläufig nach § 165 AO erlassen worden ist.

 

Rz. 12

Die negative Komponente der Bindungswirkung bedeutet, dass eine Besteuerungsgrundlage, die nach dem Gesetz festzustellen ist (auf deren Feststellung also z....

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