Rz. 42

Nach § 176 Abs. 4 AO bleiben §§ 164 Abs. 2, 165 Abs. 2 und 176 AO unberührt. Das Verständnis dieser Vorschrift, insbesondere der Verweis auf § 165 Abs. 2 AO, bereitet Schwierigkeiten.

Der Verweis auf § 164 Abs. 2 AO lässt sich problemlos so verstehen, dass die erweiterte Möglichkeit der Fehlerberichtigung im Rahmen des § 164 Abs. 2 AO durch § 177 AO nicht eingeschränkt werden soll. Steht die Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, ist die Bestandskraft in dem denkbar größten Umfang eingeschränkt. Nach § 164 Abs. 2 AO können alle materiellen Fehler sowie offenbare Unrichtigkeiten korrigiert werden. Es erfolgt also keine Einschränkung der Korrekturmöglichkeit auf einen "Änderungsrahmen" wie bei § 177 AO. Die Regelung, dass § 164 Abs. 2 AO unberührt bleibt, bedeutet daher, dass die Fehlerkorrektur nicht der Einschränkung des § 177 AO auf einen Änderungsrahmen unterliegt.[1]

 

Rz. 43

Dagegen ist die Situation hinsichtlich des § 165 Abs. 2 AO anders. Diese Vorschrift ermöglicht nur eine punktuelle Fehlerkorrektur im Rahmen der Vorläufigkeit. Soweit die Steuerfestsetzung nicht vorläufig war, besteht durchaus eine Notwendigkeit zu einer gegenläufigen Korrektur innerhalb eines Änderungsrahmens, und damit der Anwendung des § 177 AO. Wollte man den Verweis in § 176 Abs. 4 AO auf § 165 Abs. 2 AO so verstehen, dass bei einer Änderung nach § 165 Abs. 2 AO die Fehlerkorrektur des § 177 AO nicht anwendbar ist, wäre dies systematisch nicht zu begründen. Es ist kein rechtfertigender Grund ersichtlich, bei allen Änderungsvorschriften die Fehlerkorrektur des § 177 AO eingreifen zu lassen, nicht aber bei § 165 Abs. 2 AO. Die Rechtsprechung ist daher davon ausgegangen, dass der Verweis auf § 165 Abs. 2 AO in § 177 Abs. 4 AO die Fehlerkorrektur innerhalb des Berichtigungsrahmens nicht ausschließen soll, sondern lediglich besagt, dass die Durchbrechung der Bestandskraft nach § 165 Abs. 2 AO weiterhin zulässig ist.[2] Bei dieser Auslegung ist der Verweis auf § 165 Abs. 2 AO aber sinnlos. Einmal setzt § 177 AO die Durchbrechung der Bestandskraft und damit die Anwendung des § 165 Abs. 2 AO gerade voraus. Die Vorschrift enthält weder im Wortlaut noch bei teleologischer Auslegung etwas, was als eine Einschränkung der Änderungsvorschriften verstanden werden könnte. Außerdem wäre unerfindlich, warum dann nur § 165 Abs. 2 AO in Bezug genommen worden ist, nicht aber die andere Änderungsvorschriften. Man wird insoweit einen Fehler im Gesetzgebungsverfahren annehmen können, den die Rechtsprechung im Wege der teleologischen Reduktion korrigiert. Der Verweis auf § 165 Abs. 2 AO in § 177 Abs. 4 AO kann daher allenfalls so verstanden werden wie der auf § 164 Abs. 2 AO, also in dem Sinn, dass im Rahmen des § 165 Abs. 2 AO die Änderung nicht auf einen Berichtigungsrahmen eingeschränkt ist. Das würde bedeuten, dass im Umfang der Vorläufigkeit die Änderung nicht eingeschränkt ist, außerhalb dieses Rahmens eine Berichtigung von Fehlern aber nur im Rahmen des § 177 AO erfolgen kann. Allerdings würde sich diese Rechtsfolge auch ohne den Verweis in § 177 Abs. 4 AO ergeben. Der Verweis ist daher gegenstandslos. S. a. § 165 AO Rz. 110.

 

Rz. 44

Anders als im Falle der §§ 164 Abs. 2, 165 Abs. 2 AO hat der Verweis auf § 176 AO materielle Bedeutung. Er besagt, dass auch bei einer Berichtigung von Fehlern im Rahmen des Änderungsrahmens nach § 177 AO der Vertrauensschutz des § 176 AO zu beachten ist. Selbst wenn ein Fehler in den Berichtigungsrahmen fällt, kann er daher nicht berichtigt werden, wenn hinsichtlich dieses Fehlers einer der Tatbestände des § 176 AO vorliegt. Der Vertrauensschutz des § 176 AO setzt sich daher auch gegenüber der Fehlerberichtigung nach § 177 AO durch.

[1] Im Ergebnis so auch Loose, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 177 AO Rz. 2; v. Wedelstädt, in Gosch, AO/FGO, § 177 AO Rz. 9.

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