1 Allgemeines

1.1 Inhalt und Systematik

 

Rz. 1

§ 175b AO enthält eine besondere Regelung zur Durchbrechung der Bestandskraft für den Fall, dass Daten eines Stpfl. nach § 93c AO nicht oder nicht richtig verarbeitet wurden, dass sie zuungunsten des Stpfl. unrichtig sind oder dass der Stpfl. seine Einwilligung zur Übermittlung der Daten nicht gibt. Zur Durchführung dieser Änderungen enthält § 171 Abs. 10a EStG eine weitgehende Hemmung der Festsetzungsfrist.[1] Außerdem ermöglicht § 203a AO die Außenprüfung bei der mitteilungspflichtigen Stelle, wodurch die Finanzbehörde Kenntnis davon erhält, ob die Daten für den einzelnen Stpfl. richtig und vollständig übermittelt worden sind.[2] § 175b AO enthält in den drei Absätzen drei Tatbestände zur Durchbrechung der Bestandskraft. Zusammen mit der umfangreichen Hemmung der Festsetzungsfrist in § 171 Abs. 10a AO kann die Steuerfestsetzung während einer langen Zeitspanne (insgesamt maximal 9 Jahre nach Ablauf des Veranlagungszeitraums) hinsichtlich der nach § 93c AO zu übermittelnden Daten angepasst werden. Eine gesonderte Änderungsvorschrift ist erforderlich, weil die Mitteilung der Daten durch die mitteilungspflichtige Behörde kein Grundlagenbescheid i. S. d. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO ist und die unrichtige Übernahme der Daten in die Steuerfestsetzung oder die Berücksichtigung geänderter Daten daher nicht zu einer Durchbrechung der Bestandskraft führt.[3]

 

Rz. 1a

Die Mitteilung neuerer oder geänderter Daten an die Finanzbehörde stellt an sich neue Tatsachen i. S. d. § 173 AO dar, sodass eine Änderung der Steuerfestsetzung nach dieser Vorschrift möglich wäre. Der Tatbestand des § 175b AO erweitert gegenüber § 173 AO aber die Änderungsmöglichkeit, da eine Änderung zulasten des Stpfl. nicht ausgeschlossen ist, wenn der Finanzbehörde ein Ermittlungsfehler unterlaufen ist, und zugunsten des Stpfl. auch möglich ist, wenn ihn ein grobes Verschulden trifft. Auf ein Verschulden eines der beiden Seiten kommt es also nicht an. Außerdem ermöglicht § 175b AO die Änderung auch bei Rechtsfehlern und Fehlern bei der Tatsachenwürdigung.[4]

 

Rz. 1b

Die Vorschrift ist nur anwendbar auf Bescheide, für die die Regelungen über die Steuerfestsetzung gelten. Darüber hinaus ist die Vorschrift nicht anwendbar auf Einfuhr- und Ausfuhrabgaben i. S. d. Zollkodex und auf Verbrauchsteuerbescheide.[5] Andererseits ist die Vorschrift auch anwendbar, wenn der Steuerbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, § 164 AO, oder vorläufig, § 165 AO, ergangen ist.[6] M. E. ergibt sich aus dem Wortlaut des § 172 Abs. 1 S. 1 AO nicht, dass §§ 164, 165 AO die §§ 172ff. AO, und damit auch § 175b AO, verdrängen.[7] Das kann wegen der unterschiedlichen Hemmungstatbestände für die Verjährung bedeutsam sein.

 

Rz. 2

Die Möglichkeit, die Steuerfestsetzung nach § 175b AO zu ändern, insbesondere die Änderungsmöglichkeit nach Abs. 2, erübrigt es für den Stpfl., bei unrichtig übermittelten Daten eine Richtigstellung durch die mitteilungspflichtige Stelle zu verlangen.[8] Der Stpfl. kann daher, wie bei anderen Fehlern in der Steuerfestsetzung auch, sich an die Finanzbehörde wenden, entweder mit einem schlichten Änderungsantrag nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO oder mit dem Einspruch, um eine Richtigstellung der Steuerfestsetzung zu erreichen. Das Rechtsschutzverfahren für den Stpfl. wird daher durch das elektronische Verfahren nicht verändert.

[3] BT-Drs. 18/7457, 94.
[4] Ziff. 1 zu § 175b AEAO; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 175b AO Rz. 3; Dißars, BB 2017, 1307, 1309.
[5] Arg. § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO; v. Wedelstädt, in Gosch, AO/FGO, § 175b AO Rz. 5.
[6] Z. T. a. A. v. Wedelstädt, in Gosch, AO/FGO, § 175b AO Rz. 7 wegen § 172 Abs. 1 S. 1 AO.
[8] Hierzu Trossen, FR 2015, 1021.

1.2 Rechtsentwicklung

 

Rz. 3

§ 175b AO wurde durch Gesetz v. 18.7.2016[1] eingefügt. Die Vorschrift gilt nach Art. 97 § 27 Abs. 2 EGAO erstmals, wenn steuerliche Daten eines Stpfl. für Besteuerungszeiträume nach 2016 oder Besteuerungszeitpunkte nach dem 31.12.2016 nach § 93c AO von einem Dritten elektronisch an die Finanzbehörde zu übermitteln sind. Eine vergleichbare Vorschrift war bisher in § 10 Abs. 2a S. 8 EStG enthalten. Der Gesetzgeber hat bei der Formulierung des § 75b AO jedoch Zweifelsfragen vermieden, die bei § 10 Abs. 2a S. 8 EStG aufgetreten waren.[2] Die Vorschrift ist nicht bereits dann anwendbar, wenn Daten für Besteuerungszeiträume nach 2016 übermittelt werden. Vielmehr muss diese Übermittlung auf einer Übermittlungspflicht beruhen, die einen Besteuerungszeitraum nach 2016 betrifft. Das ergibt sich aus den Worten "zu übermitteln sind". Sind Daten für Besteuerungszeiträume nach 2016 bereits vor dem 1.1.2017 übermittelt worden, gilt die Vorschrift nicht, da der Gesetzgeber nicht Datenübermittlungen in den Geltungsbereich der Vorschrift einbeziehen wollte, die bei Inkrafttreten des Gesetzes bereits erfüllt waren.[3]

Durch Gesetz v. 23...

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