Rz. 32

Der Umfang der Folgeänderung bestimmt sich nach dem bindenden Inhalt Grundlagenbescheid; es erfolgt keine Gesamtaufrollung (vgl. den Ausdruck "soweit" in Nr. 1).[1] Die Finanzbehörde ist zur Änderung des Folgebescheids nur insoweit berechtigt und verpflichtet, als die Bindungswirkung des Folgebescheids reicht.[2] Die für den Folgebescheid zuständige Finanzbehörde hat den Inhalt des Grundlagenbescheids ohne eigene Sachprüfung zu übernehmen. Sie braucht daher anlässlich einer Änderung nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO nicht auch andere Änderungen vorzunehmen, deren Voraussetzungen vorliegen; sie kann diese Änderungen später durchführen.[3] Zu diesem Zeitpunkt bereits vorliegende neue Tatsachen werden daher nicht "bekannt"; die Änderung nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO schließt daher eine spätere Änderung nach § 173 AO nicht aus.

 

Rz. 33

Wird ein Grundlagenbescheid erstmals erlassen, ist für den Umfang der Änderung des Folgebescheids allein der Inhalt des Grundlagenbescheids maßgebend. Dieser Inhalt ist vollständig in den Folgebescheid zu übernehmen. Ist die Übernahme des Inhalts des Grundlagenbescheids in den Folgebescheid nicht vollständig oder unrichtig erfolgt, ist der Folgebescheid so oft zu ändern, bis der Inhalt des Grundlagenbescheids richtig übernommen worden ist. Das gilt auch, wenn die Auswertung eines Grundlagenbescheids versehentlich nicht erfolgt ist und dieser später geändert wird. Auch dann ist die vollständige Übernahme der Besteuerungsgrundlagen des ursprünglichen Grundlagenbescheids in den Folgebescheid nach der h. M. zulässig und geboten.[4] Die Änderungsbefugnis erschöpft sich danach nicht in einer einmaligen Änderung des Folgebescheids, sondern besteht solange fort, bis der Inhalt des Grundlagenbescheids vollständig und richtig in den Folgebescheid aufgenommen worden ist. Dabei ist es unbeachtlich, aus welchen Gründen der Inhalt des Grundlagenbescheids nicht bereits früher in den Folgebescheid übernommen worden ist. Daher sind auch Bearbeitungsfehler des FA unbeachtlich, ebenso ein etwaiges Verschulden von Stpfl. und/oder Finanzbeamten. Grenze ist nur der Ablauf der Feststellungs- oder Festsetzungsfrist. Gerechtfertigt wird diese weitgehende, auch wiederholte und damit "absolute" Änderungsmöglichkeit damit, dass der Stpfl. nicht schutzbedürftig sei. Durch die Bekanntgabe des Grundlagenbescheids wisse er, dass die dort festgestellten Besteuerungsgrundlagen unverändert in den Folgebescheid zu übernehmen sind. Geschehe dies nicht oder unrichtig, sei das für ihn erkennbar, sodass er mit einer Richtigstellung rechnen müsse (hierzu, auch zur Kritik, Rz. 28).

 

Rz. 34

Die Änderungsvorschrift ermöglicht es, diejenigen Besteuerungsgrundlagen in den Folgebescheid zu übernehmen, für die die Entscheidungskompetenz bei dem für den Grundlagenbescheid zuständigen FA liegt. Unberührt von der Änderung müssen daher alle diejenigen Besteuerungsgrundlagen bleiben, die in der Entscheidungskompetenz des für den Folgebescheid zuständigen FA liegen. Die Vorschrift ermöglicht daher nicht eine Änderung von Besteuerungsgrundlagen, die von dem Inhalt des Grundlagenbescheids nicht umfasst werden.[5]

 

Rz. 35

Es ist jede Änderung möglich, die in dem Regelungsgehalt des erstmals erlassenen, geänderten oder aufgehobenen Grundlagenbescheids eine Grundlage hat. Die Änderung braucht sich also nicht in der bloßen Übernahme der Zahlen des erstmals erlassenen oder geänderten Grundlagenbescheids zu erschöpfen. Die Finanzbehörde hat vielmehr den Inhalt des Folgebescheids vollständig und zutreffend an den Inhalt des Grundlagenbescheids anzupassen. Soweit es sich dabei um von dem Grundlagenbescheid betroffene Besteuerungsgrundlagen handelt, über die nicht im Grundlagenbescheid, sondern im Folgebescheid zu entscheiden ist, hat das für den Folgebescheid zuständige FA die Sachverhalte in vollem Umfang erneut und selbständig in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu würdigen.[6]

 

Rz. 36

Beispiele für Folgeänderungen aufgrund des Grundlagenbescheids, die das für den Folgebescheid zuständige FA in eigener Entscheidungsbefugnis vorzunehmen hat, sind etwa:

  • Werden in dem Grundlagenbescheid die Einkünfte aus Gewerbebetrieb geändert, kann im Folgebescheid die zu Unrecht angesetzte, weil doppelt berücksichtigte Gewerbesteuerrückstellung aufgelöst werden.[7]
  • Wird das Gehalt der mitarbeitenden Ehefrau eines Gesellschafters durch eine Änderung der Gewinnfeststellung aus dem Gewinnanteil des Gesellschafters ausgeschieden, weil das Arbeitsverhältnis mit der Ehefrau anerkannt wird, so ist die gemeinsame ESt-Veranlagung dieses Ehepaars nicht nur durch die Minderung der gewerblichen Einkünfte des Ehemanns zu ändern, sondern auch durch Ansetzen der Einkünfte der Ehefrau aus nichtselbstständiger Arbeit.[8]
  • Werden in dem Grundlagenbescheid ausländische Einkünfte dem Stpfl. nicht mehr zugerechnet, kann das FA des Folgebescheids den Abzug der entsprechenden ausländischen Steuern von der Bemessungsgrundlage verweigern.[9]
  • Hängen steuerliche Vergünstigungen, übe...

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