Rz. 128

Ist danach eine Steuerfestsetzung unrichtig, weil ein Sachverhalt in ihr, nicht in einer zweiten Steuerfestsetzung hätte berücksichtigt werden müssen, kann die Bestandskraft dieser ersten Steuerfestsetzung durchbrochen werden, jedoch nur bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist für die zweite Steuerfestsetzung.

 

Rz. 129

Nicht ausdrücklich geregelt ist der Fall, dass die Festsetzungsfrist für die erste (unrichtige) Steuerfestsetzung schon abgelaufen ist. Im Gegensatz hierzu ist in Abs. 1 und Abs. 2 ausdrücklich bestimmt, dass eine gewisse Durchbrechung der Festsetzungsfrist zulässig ist. Wegen der Formulierung des § 169 AO, nach der eine Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung nach Ablauf der Festsetzungsfrist nicht mehr zulässig ist, und der erheblichen Bedeutung dieser Vorschrift für die Rechtssicherheit muss gefolgert werden, dass eine Abweichung hiervon ausdrücklich geregelt sein müsste. Die Änderung der ersten, unrichtigen Steuerfestsetzung ist daher nur möglich, wenn sowohl die Festsetzungsfrist für die erste als auch für die zweite Steuerfestsetzung noch nicht abgelaufen ist.[1]

 

Beispiel 1:

Die Finanzbehörde hat im Jahr 01 Sonderausgaben mit der Begründung nicht anerkannt, sie seien im Jahr 02 geltend zu machen. Bei der Veranlagung 02 stellt die Finanzbehörde fest, dass diese Sonderausgaben doch in das Jahr 01 gehören. Die Festsetzungsfrist 01 läuft Ende 06, die für 02 Ende 07 ab. Die Berichtigung der Steuerfestsetzung 01 nach § 174 Abs. 3 AO kann nur noch bis Ende 06 erfolgen, obwohl die Festsetzungsfrist für das Jahr 02 erst 07 abläuft. Das bedeutet, dass der Steuervorteil für den Stpfl. durch eine verzögerliche Bearbeitung der Veranlagung 02 (bei der sich erst herausstellt, dass die Sonderausgaben im Jahr 01 hätten berücksichtigt werden müssen) durch die Verwaltung verloren gehen kann. Es empfiehlt sich, in allen Fällen des § 174 Abs. 3 AO den Ablauf der Festsetzungsfrist zu überwachen und erforderlichenfalls einen Antrag auf Änderung der Steuerfestsetzung 01 zu stellen, um die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO zu erreichen. Sollte sich dann bei der Veranlagung 02 herausstellen, dass die Sonderausgaben doch im Jahr 02 zu berücksichtigen sind, kann der Antrag (kostenfrei) zurückgenommen werden.

 

Beispiel 2:

Die Finanzbehörde hat eine Betriebseinnahme im Jahr 01 nicht erfasst mit der Begründung, sie müsse im Jahr 02 erfasst werden. Das Jahr 01 wird durch die Außenprüfung geprüft[2], das Jahr 02 nicht. Die Festsetzungsfrist 01 läuft daher im Jahr 09 ab, die für 02 bereits im Jahr 07. Eine Veranlagung für 02 erfolgt wegen des Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht. Im Jahr 08 kommt die Außenprüfung zu dem Ergebnis, die Betriebseinnahme hätte doch im Jahr 01 erfasst werden müssen. Eine Änderung der Veranlagung 01 ist trotz der noch laufenden Festsetzungsfrist nicht möglich; der Stpfl. durfte bei Ablauf der Festsetzungsfrist 02 darauf vertrauen, dass die Betriebseinnahme nicht mehr erfasst werden würde.

 

Rz. 130

Für die Wahrung der Festsetzungsfrist gelten die allgemeinen Vorschriften.[3]

[1] Dagegen hält Macher, DStR 1979, 550 den Ablauf der Festsetzungsfrist für die erste Steuerfestsetzung für unbeachtlich.
[2] Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 AO.
[3] Vgl. insbesondere §§ 169 Abs. 1 S. 3, 171 AO.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge