Rz. 11

Zum Verhältnis des § 174 AO zu § 173 AO vgl. Frotscher, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 173 AO Rz. 13.

Im Verhältnis des § 174 AO zu § 175 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO werden sich keine Überschneidungen ergeben, da beide Vorschriften jeweils andere Sachverhalte regeln. Daher sind beide Änderungsvorschriften jeweils getrennt zu behandeln. Es kann daher eine Änderung nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 AO erfolgen, ohne dass eine Änderung nach § 174 AO damit verbunden werden muss, wenn deren Voraussetzungen bei der Änderung nach § 175 AO bereits vorliegen, und umgekehrt. Die Änderung nach der einen Vorschrift "verbraucht" daher die Änderungsmöglichkeit nach der anderen Vorschrift nicht.[1]

 

Rz. 12

§ 174 AO behandelt das Verhältnis von zwei oder mehreren Steuerbescheiden zueinander, die sich widersprechen, deren Regelungsbereiche sich tatsächlich – entgegen der gesetzlichen Abgrenzung – überschneiden. Demgegenüber behandelt § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO zwar ebenfalls das Verhältnis zweier Steuerbescheide zueinander, die sich jedoch nicht ausschließen, sondern ergänzen: Der Folgebescheid baut auf dem Grundlagenbescheid auf. Die Änderung des Folgebescheids nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO beruht also nicht darauf, dass die Regelungsbereiche von Grundlagen- und Folgebescheid sich überschneiden.

 

Rz. 13

Kommt es im Verhältnis zwischen Grundlagen- und Folgebescheid zu einer widerstreitenden Steuerfestsetzung, d. h. also zu einer Überschneidung der Regelungsbereiche (in beiden Bescheiden ist der gleiche Sachverhalt, also doppelt oder überhaupt nicht erfasst), ist § 174 AO anwendbar, da es sich um einen Widerstreit, keine Ergänzung handelt. Vgl. Rz. 38. Im Ergebnis sind die Regelungen des § 174 AO anwendbar, wenn ein Widerstreit zwischen zwei Feststellungsbescheiden oder zwischen Feststellungsbescheid und Folgebescheid vorliegt. § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO schließt die Anwendung des § 174 AO nicht aus.[2]

 

Rz. 14

§ 175 Abs. 1 Nr. 2 AO behandelt nur die Änderung eines Bescheids, nicht das Verhältnis zweier Bescheide zueinander. Es kann aber auch hier zu einer Konkurrenz mit § 174 AO kommen, wenn das Ereignis mit Rückwirkung im falschen Besteuerungszeitraum erfasst wird.

 
Praxis-Beispiel

Das Ereignis, das im Jahr 02 mit Rückwirkung auf 01 eintritt, wird im Bescheid für 02 erfasst. In einem solchen Fall kann der Bescheid, in dem das Ereignis zu erfassen ist, nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO, der danach unrichtige Bescheid – in dem das Ereignis zu Unrecht nochmals erfasst ist – nach § 174 AO geändert werden. Die Anwendung des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO hat zur Folge, dass die Festsetzungsfrist für diese Änderung erst mit Eintritt des Ereignisses zu laufen beginnt.[3]

 

Rz. 15

§ 174 AO ist eine eigenständige Änderungsvorschrift, die selbstständig neben anderen Änderungsvorschriften steht. Für eine nur subsidiäre Geltung des § 174 AO gibt der Gesetzeswortlaut keine Anhaltspunkte; eine solche Unterordnung wäre auch sachlich nicht gerechtfertigt.[4] Daraus folgt auch, dass Regelungen anderer Änderungsvorschriften auf § 174 AO nicht anwendbar sind. Nach einer Außenprüfung tritt daher für § 174 AO keine dem § 173 Abs. 2 AO vergleichbare Änderungssperre ein.

 

Rz. 15a

Soweit eine Konkurrenz zwischen § 174 AO und einer anderen Änderungsvorschrift besteht, kann die Änderung der Steuerfestsetzung kumulativ auf jede Änderungsnorm gestützt werden, deren Voraussetzungen vorliegen. Dabei sind Voraussetzungen und Rechtswirkungen jeder Änderungsvorschrift für sich zu betrachten.[5]

 

Rz. 16

§ 176 AO ist auf § 174 AO anwendbar.[6]

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