Rz. 91

Die Ungewissheit ist beseitigt, wenn geklärt ist, ob die Voraussetzungen für das Entstehen einer Steuer eingetreten sind oder wenn geklärt ist, dass eine solche Gewissheit endgültig nicht mehr zu erreichen ist, wenn feststeht, zu welchem Zeitpunkt ein internationaler Vertrag in Kraft tritt bzw. feststeht, dass er für den fraglichen Veranlagungszeitraum endgültig nicht in Kraft treten wird, wenn der Gesetzgeber die Auflage des BVerfG zu einer Neuregelung einer verfassungswidrigen Norm erfüllt hat, oder wenn das Verfahren, das Anlass für die Vorläufigkeit nach Abs. 2 Nr. 3, 4 war, rechtskräftig abgeschlossen ist. Maßgebend ist die Beseitigung derjenigen Ungewissheit, deretwegen die Steuerfestsetzung vorläufig vorgenommen wurde.[1] Dies gilt auch für den Umfang der Ungewissheit. Die Ungewissheit, deretwegen die Steuerfestsetzung vorläufig ist, muss in vollem Umfang beseitigt worden sein. Maßgebend ist, dass die Ungewissheit beseitigt worden ist; nicht maßgebend ist, ob bestimmte Tatsachen "neu" sind oder bereits vorher bekannt waren, sondern nur, ob sie "gewiss" geworden sind.[2] Die Ungewissheit muss für den Vz, für den die Steuerfestsetzung vorläufig vorgenommen worden ist, beseitigt worden sein. Beseitigung der gleichen oder vergleichbaren Ungewissheit für einen anderen Vz oder bei einem anderen Stpfl. oder anderen Musterverfahren genügt nicht. Mit dem Zeitpunkt, zu dem die Ungewissheit beseitigt worden ist, beginnt die Frist nach § 171 Abs. 8 AO, nach deren Ablauf die Ablaufhemmung für die Festsetzungsfrist endet.[3]

 

Rz. 92

Ist die Vorläufigkeit zu Unrecht angeordnet worden, lag also überhaupt keine Ungewissheit vor, kann an sich das Ende der Ungewissheit nicht bestimmt werden. Da jedoch dann Unklarheit über die Dauer der Ablaufhemmung und damit den Eintritt der Verjährung bestehen würde, ist für diesen Fall anzunehmen, dass die Ungewissheit endet, wenn der Finanzbehörde bekannt wird, dass keine Ungewissheit vorlag. Sie kann dann die Steuerfestsetzung endgültig vornehmen; mit diesem Zeitpunkt beginnt die Frist für das Ende der Ablaufhemmung von einem bzw. 2 Jahren zu laufen.

 

Rz. 93

Im Fall der Ungewissheit über das Entstehen des Steueranspruchs, Abs. 1 S. 1, ist die Ungewissheit beseitigt, wenn die Tatsachen, aus denen sich das Entstehen des Steueranspruchs ergibt, objektiv feststehen und das FA davon Kenntnis hat und daher die Steuer unter Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen endgültig festsetzen kann.[4] Erforderlich ist positive Kenntnis der Finanzbehörde, Kennenmüssen genügt nicht.[5] Bezog sich die Ungewissheit darauf, ob bei dem Stpfl. eine innere Tatsache vorlag, wie bei der Beurteilung eines gewerblichen Grundstückhandels oder bei der Frage, ob der Stpfl. mit Einkunftserzielungsabsicht handelte oder ob Liebhaberei vorlag, ist die Ungewissheit beseitigt, wenn dem FA die zur Beurteilung dieser Frage heranzuziehenden Hilfstatsachen bekannt sind. Dabei genügt es nicht, dass aus den Indizien der Schluss auf die inneren Tatsachen gezogen werden kann, aber nicht muss, auch nicht, dass das FA tatsächlich einen Schluss auf das Vorliegen der inneren Tatsachen gezogen hat. Vielmehr ist erforderlich, dass für jedermann erkennbar mit einer gewissen Eindeutigkeit feststeht, dass die ungewisse, innere Tatsache vorgelegen oder nicht vorgelegen hat.[6]

 

Rz. 93a

Eine indizielle (Hilfs-)Tatsache i. d. S. ist etwa die Zahl der Veräußerungen beim gewerblichen Grundstückshandel. Bei der Frage der Liebhaberei sind die indiziellen Tatsachen die Konzeption, die eine Gewinnerzielung erlaubt oder nicht erlaubt, die Vermarktungsbemühungen und die Anstrengungen des Stpfl., durch Änderung der Konzeption Gewinnerzielung zu erreichen. Die Ungewissheit ist entfallen, wenn über diese Indizien eindeutig festgestellt oder nicht festgestellt werden kann, ob in dem maßgebenden Vz Gewinnerzielungsabsicht bestand oder nicht. Die Ungewissheit ist auch beseitigt, wenn Gewinne erzielt werden bzw. bei Vermietungsabsicht, wenn das Grundstück tatsächlich vermietet wird. Darüber hinaus ist die Ungewissheit beseitigt, wenn die Gewinnerzielung oder die Vermietung unmöglich wird, weil das Objekt verkauft, der Betrieb eingestellt oder bei einer Wohnung mit der Selbstnutzung begonnen wird. Tritt ein solches Ereignis ein, liegen alle für die Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht erforderlichen Hilfstatsachen vor, sodass ein weiteres Zuwarten nicht mehr erforderlich ist.[7] Die Ungewissheit ist bereits dann entfallen, wenn dem FA bekannt ist, dass das Objekt veräußert, der Betrieb eingestellt oder die Wohnung selbst genutzt wurde. Dann kann die Finanzbehörde nicht nur prüfen, ob der Stpfl. einen Totalgewinn erzielt hat oder nicht, sondern auch, ob er Maßnahmen ergriffen hat, um einen Totalgewinn zu erzielen. Dem FA bekannt sein müssen also nicht die Hilfstatsachen, sondern lediglich, dass die Ungewissheit hinsichtlich der inneren Tatsache beseitigt ist. Grund der Vorläufigkeit ist nämlich nicht die Ungewissheit über die Hilfstatsachen, sonder...

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