Rz. 35

Nach Abs. 2 S. 2 kann eine Schätzung außerdem erfolgen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Angaben des Stpfl. unrichtig sind, und der Stpfl. seine Zustimmung zum Kontenabruf nach § 93 Abs. 7 S. 1 Nr. 5 AO nicht erteilt.[1] Die Vorschrift ist durch Gesetz v. 14.8.2007[2] eingefügt worden und zum 1.1.2009 in Kraft getreten.[3]

 

Rz. 36

Nach § 93 Abs. 7 S. 1 Nr. 5 AO kann der Kontenabruf, soweit keine Tatbestände der Nr. 1 bis 4 vorliegen, nur mit Zustimmung des Stpfl. erfolgen. Der Stpfl. kann die Zustimmung auf Anforderung der Finanzbehörde oder aus eigenem Antrieb erteilen. Er ist jedoch nicht verpflichtet, die Zustimmung zu geben. Verweigert er die Zustimmung, kann zwar kein Kontenabruf erfolgen; der Stpfl. muss dann aber, bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 162 Abs. 2 S. 2 AO, die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen in Kauf nehmen. Im Ergebnis trifft den Stpfl. die Obliegenheit, die Zustimmung zu erteilen. Tut er dies nicht, kann die Zustimmung nicht erzwungen werden, der Stpfl. muss aber Rechtsnachteile (Schätzung) in Kauf nehmen. Die Interessenlage entspricht der bei § 160 AO; vgl. daher § 160 AO Rz. 39ff.

 

Rz. 37

Die Vorschrift ist im Zusammenhang mit dem sog. "Bankgeheimnis" zu sehen, das die Konteninformationen des Stpfl. in gewissem Umfang schützt. Allerdings geht der Schutz bei einem konkreten Verdacht gegen die Richtigkeit der Angaben des Stpfl. nicht so weit, dass der Stpfl. einen Anspruch auf Nichtbesteuerung der Kapitaleinkünfte hätte.

 

Rz. 38

Voraussetzung der Schätzung ist, dass tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Angaben des Stpfl. zu seinen steuerpflichtigen Einnahmen und Betriebsvermögensmehrungen unrichtig oder unvollständig sind. Der Stpfl. muss also Angaben zu seinen steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen gemacht haben. Diese Angaben werden regelmäßig in der Steuererklärung oder aufgrund einer Auskunftsanforderung des Stpfl. gemacht. Hat der Stpfl. keine Angaben gemacht, d. h., hat er die Steuererklärung nicht abgegeben oder hat er die Auskunft verweigert, liegt ein Fall des § 162 Abs. 2 S. 1 AO vor, sodass diese Vorschrift vorgeht; die Regelung des S. 2 ist dann nicht anwendbar.

 

Rz. 39

Die unrichtigen oder unvollständigen Angaben müssen sich auf Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen beziehen. Da sie sich nicht auf die "Einkünfte" beziehen müssen, sind Angaben über Betriebsausgaben oder Werbungskosten nicht betroffen, ebenso nicht Angaben über weitere steuerrelevante Faktoren, wie Familienstand, Kinder, Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen. Wie der Zusammenhang mit dem automatisierten Kontenabruf ergibt, sind auch nicht Angaben über alle Einnahmen und Betriebsvermögensmehrungen betroffen, sondern nur diejenigen, auf die sich der Kontenabruf bezieht oder beziehen kann. Betroffen sind daher Einnahmen und Betriebsvermögensmehrungen, die ihrer Art nach unter § 20 oder § 23 EStG fallen, also insbesondere Gewinnanteile (Dividenden sowie andere Ausschüttungen und Auskehrungen) nach § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2 EStG, Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen, soweit der Schuldner ein Kreditinstitut oder Finanzdienstleistungsinstitut ist, § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen und Dividendenscheinen, § 20 Abs. 2 Nr. 1, 2 EStG, und der Gewinn aus Termingeschäften und ähnlichen Finanzinstrumenten, § 20 Abs. 2 Nr. 3 EStG, soweit diese Geschäfte über Banken und Finanzdienstleistungsinstitute abgewickelt werden. Zu welcher Einkunftsart diese Einnahmen und Vermögensmehrungen gehören, ist ohne Bedeutung; es können Überschusseinkünfte (Kapitalvermögen) sein, aber auch betriebliche Einkünfte. Zu Einzelheiten zum Umfang des Kontenabrufs und damit der Reichweite der Schätzungsbefugnis vgl. § 93 AO Rz. 55ff.

 

Rz. 40

Es ist nicht erforderlich, dass diese Einnahmen und Vermögensmehrungen gerade über diejenige Bank bezogen werden, bei der der Kontenabruf erfolgen soll. Es genügt, dass nur überhaupt der Kontenabruf Einnahmen und Vermögensmehrungen der genannten Art feststellen soll.

Nicht anwendbar ist die Vorschrift daher auf Einnahmen des § 20 EStG, die keine Verbindung zu einem Kontenabruf haben, insbesondere also Einnahmen aus typischer stiller Gesellschaft und partiarischem Darlehen (Nr. 4), Zinsen aus Hypotheken, Grundschulden und Rentenschulden (Nr. 5) sowie Erträge aus Versicherungen (Nr. 6).

 

Rz. 41

Weitere Voraussetzung für die Schätzung ist, dass tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben bestehen. Es muss sich um Angaben handeln, die der Stpfl. oder in seinem Namen ein Vertreter gemacht hat; Gleiches gilt für Angaben der Parteien kraft Amtes, wie Testamentsvollstrecker oder Insolvenzverwalter.[4]

Es müssen objektive Umstände, Indizien u. Ä. vorliegen, die auf die tatsächliche Unrichtigkeit dieser Angaben hindeuten, etwa Kontrollmitteilungen, Unstimmigkeiten in der Steuererklärung, fehlende Nachweise über den Verbleib oder die Herkunft von Geldmitteln und Vermögen usw. Dies...

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