Rz. 1

§ 158 AO enthält eine sonst in der AO nicht übliche Beweisregelung. Sie besagt, dass eine Buchführung und sonstige Aufzeichnungen, die den steuerlichen Vorschriften entsprechen, der Besteuerung zugrunde zu legen sind. Die Regelung enthält eine sonst im Steuerecht nicht übliche Zuordnung einer subjektiven Beweislast, die im Fall des § 158 AO die Finanzverwaltung trifft. Liegen die Voraussetzungen des § 158 AO vor, kann der Stpfl. sich auf die Vermutungsregelung berufen, während es der Finanzverwaltung überlassen bleibt, diese Vermutung zu widerlegen.

 

Rz. 2

Die Voraussetzungen für die Anwendung des § 158 AO sind unklar geregelt. Für die Anwendbarkeit verweist die Vorschrift auf §§ 140148 AO; entsprechen Buchführung und Aufzeichnungen des Stpfl. diesen Vorschriften, so sind sie grundsätzlich der Besteuerung zugrunde zu legen. Eine Buchführung, die den §§ 140ff. AO entspricht, darf daher steuerlich grundsätzlich nicht beanstandet werden, sondern hat die Vermutung der Richtigkeit für sich. Es handelt sich also um eine Vermutungsregelung, die der Finanzbehörde auferlegt, diese Vermutung zu erschüttern, will sie das Ergebnis der Buchführung der Besteuerung nicht zugrunde legen.

 

Rz. 3

In Bezug genommen worden ist aber auch § 146 Abs. 1 AO, wonach die Buchungen vollständig und richtig vorzunehmen sind. In Verbindung mit der Verweisung in § 158 AO würde dies bedeuten, dass eine Buchführung, in der alle Buchungen vollständig und sachlich richtig sind, die Vermutung der sachlichen Richtigkeit für sich hat. In dieser Form enthält die Vorschrift eine unsinnige Regelung; eine sachlich richtige Buchführung ist sachlich richtig, sie braucht nicht als sachlich richtig vermutet zu werden.

 

Rz. 4

Einen Sinn macht die Vorschrift nur, wenn man von einem Unterschied zwischen formeller Ordnungsmäßigkeit und sachlicher Richtigkeit der Buchführung ausgeht. § 158 AO ist dann nur auf die formelle Ordnungsmäßigkeit der Vorschrift zu beziehen; die Vorschrift ist dann so zu verstehen, dass eine Buchführung, die den in §§ 140148 AO enthaltenen formellen Vorschriften entspricht, die Vermutung der sachlichen Richtigkeit für sich hat. Die Verweisung in § 158 AO auf die Vorschriften der §§ 140ff. AO ist daher im Weg der restriktiven Interpretation so zu verstehen, dass Voraussetzung für die Anwendung der Vermutungsregelung in § 158 AO nur die Erfüllung der Vorschriften zur formellen Ordnungsmäßigkeit in §§ 140ff. AO ist.[1]

 

Rz. 5

Nach heutigem Verständnis ist die Vorschrift überflüssig, da sie keinen Inhalt hat, der über Selbstverständlichkeiten hinausgeht. Buchführung und Aufzeichnungen, die den gesetzlichen Vorschriften entsprechen und keinen Anlass bieten, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden, sind auch ohne ausdrückliche Regelung des § 158 AO der Besteuerung zugrunde zu legen. Angaben des Stpfl., und dazu gehört auch die Buchführung, die keinen Anlass zu Beanstandungen geben, sind von der Finanzbehörde zu akzeptieren.

 

Rz. 6

Für die Finanzverwaltung sind zwei Wege zu unterscheiden, will sie das Ergebnis von Buchführung und Aufzeichnungen beanstanden: Sie kann nachweisen, dass die Buchführung formell nicht ordnungsgemäß ist; damit zerstört sie die Anwendbarkeit der Vermutung nach § 158 AO, es besteht dann keine Vermutung zugunsten des Stpfl.[2] Der zweite Weg besteht darin, bei formell ordnungsmäßiger Buchführung begründete Beanstandungen gegen die sachliche Richtigkeit der Buchführung und Aufzeichnungen vorzubringen.[3]

 

Rz. 7

Die Vorschrift ist grundsätzlich auf alle Steuern einschließlich der Steuervergütungen im Rahmen des § 1 AO anwendbar, die von Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden, sowie auf die Realsteuern. Der ZK[4] enthält keine § 158 AO entsprechende Bestimmung. § 158 AO wird daher vom ZK nicht verdrängt, sondern bleibt auch für Einfuhr- und Ausfuhrabgaben sowie Abschöpfungen anwendbar.

[1] Seer, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 158 AO Rz. 3.
[2] Hierzu Rz. 23.
[3] Vgl. Rz. 8ff.
[4] VO/EWG Nr. 2913/92 v. 12.10.1992, VSF Z 02 00.

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