Rz. 83

Abs. 4, eingefügt durch das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens, enthält die Regelung für ausschließlich automationsgestützt erlassene Steuerfestsetzungen.[1] Die neue Vorschrift ist nach Art. 97 § 1 Abs. 11 EGAO auf alle bei Inkrafttreten des Gesetzes anhängigen Verfahren anzuwenden. Nach Art. 23 Abs. 1 des Gesetzes tritt es am 1.1.2017 in Kraft. Das Gesetz ist daher auf alle am 1.1.2017 noch anhängigen Verfahren anzuwenden.

 

Rz. 84

Abs. 4 ermöglicht es den Steuerbehörden, Steuerbescheide und damit zusammenhängende Verwaltungsakte ausschließlich automationsgestützt vorzunehmen. Wie sich aus dem Wort "ausschließlich" und dem Satzteil "soweit kein Anlass dazu besteht, den Einzelfall durch Amtsträger zu bearbeiten" ergibt, geht der Gesetzgeber davon aus, dass in diesen Fällen die Steuerfestsetzung und die damit zusammenhängenden Verwaltungsakte ergehen, ohne dass ein Amtsträger in die Bearbeitung des Einzelfalles eingeschaltet ist. Die auf den Einzelfall bezogene Willensbildung des Amtsträgers erfolgt damit nur mittelbar auf der Grundlage der von der Finanzbehörde erstellten und eingesetzten EDV-Programme. Der Begriff des Verwaltungsakts in § 118 AO, wonach ein Verwaltungsakt eine hoheitliche Maßnahme ist, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles trifft, wird dadurch in dem Sinne entpersonalisiert, als der Einzelfall nicht mehr unmittelbar durch einen Amtsträger entschieden wird. An die Stelle des entscheidungsberechtigten Amtsträgers tritt das von der Finanzbehörde autorisierte automatische Programm. Die Behörde wird unmittelbar nicht mehr in Bezug auf den Einzelfall entscheidend tätig, sondern nur allgemein und für den Einzelfall nur mittelbar durch Erstellung, Autorisierung und Einsatz der automatischen Programme. Rechtlich gesehen ist diese Entpersonalisierung der Steuerfestsetzung zulässig, da die Gestaltung des internen Behördenverfahrens und der Organisation in der weitgehend unbeschränkten Entscheidungsbefugnis der Finanzverwaltung liegt. Verfahren und Organisation müssen lediglich auf vertretbaren Gründen beruhen, ein Mindestmaß an sachgerechter und richtiger Entscheidung sicherstellen und die Rechte des Stpfl. wahren. Das ist bei der Steuerfestsetzung im automatisierten Verfahren der Fall.[2]

 

Rz. 85

Das Gesetz bezweckt die Steigerung der Wirtschaftlichkeit und Effizienz sowie einen rationelleren Ressourceneinsatz bei der Steuerfestsetzung. Gleichzeitig soll das Besteuerungsverfahren vereinfacht und durch Nutzung der Informationstechnologie benutzerfreundlicher gestaltet werden.[3] Durch den rationelleren Einsatz der knappen Ressourcen der Finanzverwaltung soll ein höheres Maß an Gleichmäßigkeit der Besteuerung erreicht werden. Außerdem werden durch die automatisierte Verarbeitung nicht nur die Ressourcen der Finanzbehörde geschont, sondern auch die der Stpfl. bzw. der steuerberatenden Berufe. Durch die Verlagerung der Bearbeitung und Steuerfestsetzung auf automatisierte Verfahren und das Zurückgreifen auf die aus anderen Quellen vorliegenden Daten des Stpfl. wird auch das Verfahren der Datenübermittlung durch die Steuererklärung und Bekanntgabe des Steuerbescheids zwischen Stpfl. bzw. steuerlichen Berater vereinfacht und dient damit auch den Interessen des Stpfl. Diese Zwecke der Vorschrift sind sachgerecht und rechtfertigen die Verfahrens- und Organisationsänderung.

 

Rz. 86

Ein wesentliches Merkmal des neuen Verfahrens ist der Ausschluss der manuellen Prüfung des Steuerfalls durch einen Amtsträger und damit eine Reduzierung der Amtsermittlung nach § 88 AO. Das vollständige Unterbleiben einer Prüfung der Angaben des Stpfl. und eine allein auf der Steuererklärung beruhende Steuerfestsetzung ohne die Möglichkeit eines Eingriffs des Amtsträgers würde ein strukturelles Vollzugsdefizit in der Steuererhebung bedeuten, das zu einer Ungleichmäßigkeit der Besteuerung und damit zur Verfassungswidrigkeit der Steuergesetze führen kann. Der Gesetzgeber hat daher die manuelle Überprüfung durch den Amtsträger im Einzelfall nicht ersatzlos beseitigt, sondern andere Verfahren an die Stelle der manuellen Überprüfung gesetzt. Dabei ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass eine regelmäßige manuelle Überprüfung und Amtsermittlung durch einen Amtsträger keinen hohen Grad an Effizienz aufweist, solange dem Amtsträger keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, was und in welche Richtung er zu ermitteln hat. Zudem darf den Angaben des Stpfl. nicht allgemein und ohne hinreichenden Anlass mit Misstrauen begegnet werden. Solche Anhaltspunkte, die eine nähere Prüfung als zweckmäßig erscheinen lassen, können im Wege der Spezialprävention abstrakt formuliert werden. Dann kann bei Vorliegen dieser Anhaltspunkte eine herkömmliche manuelle Prüfung erfolgen. Der Gesetzgeber hat dies in § 88 Abs. 3 AO vorgesehen, wonach die Finanzbehörden aufgrund ihrer allgemeinen Erfahrungen sowie der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit allgemeine Weisungen erteilen können, in welchen Fällen Ermittl...

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