Rz. 56

Abs. 3 enthält eine Sondervorschrift für die Steuerfestsetzung gegenüber Gesamtschuldnern. Schulden mehrere Stpfl. die Steuer als Gesamtschuldner, kann die Finanzbehörde gegen sie zusammengefasste Steuerbescheide erlassen.

Für die Zulässigkeit der zusammengefassten Steuerbescheide wird damit auf die Regelung über die Gesamtschuld, § 44 AO, verwiesen. Gesamtschuld tritt in folgenden Fallgruppen auf:

  • Mehrere Personen erfüllen denselben, bestimmten Steuertatbestand: z. B. gemeinsame Zurechnung des Grundstücks bei der GrSt, § 10 Abs. 3 GrStG; Erwerber bzw. Schenker und Erwerber bei der ErbSt, § 20 Abs. 1 ErbStG; mehrere an einem grunderwerbsteuerpflichtigen Vorgang beteiligte Personen bei der GrESt (nicht aber Bruchteilserwerber), § 13 Nr. 1, 5 GrEStG.[1]
  • Haftende: Gesamtschuldner sind Stpfl. und Haftende sowie mehrere Haftende.[2] Dies betrifft alle gesetzlichen (steuerrechtliche und zivilrechtliche) Haftungstatbestände, nicht aber die vertragliche Haftungsübernahme.
  • Zusammenveranlagung zu einer Steuer: Dies betrifft die Zusammenveranlagung von Ehegatten zur ESt nach § 26b EStG.[3]

In diesen Fällen der Gesamtschuld ist nach § 155 Abs. 3 AO der Erlass von zusammengefassten Steuerbescheiden grundsätzlich möglich, d. h. von rechtlich voneinander selbstständigen, aber in einer Urkunde zusammengefassten Steuerbescheiden. Die in den Fällen der zusammengefassten Steuerbescheide notwendig erfolgende Offenbarung der Verhältnisse des einen Gesamtschuldners gegenüber dem anderen ist durch § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO gedeckt.[4]

 

Rz. 57

Ob in den Fällen der Gesamtschuld zusammengefasste Steuerbescheide ergehen oder ob die Behörde inhaltsgleiche, aber getrennte Steuerbescheide erlässt, liegt im Ermessen der Finanzbehörde[5]; es besteht grundsätzlich kein Zwang, zusammengefasste Steuerbescheide zu erlassen.[6] Der Erlass von zusammengefassten Steuerbescheiden wird nur dann ermessensfehlerfrei sein, wenn die Bescheide vollständig inhaltsgleich sind, und zwar nicht nur in ihrem Regelungsgehalt, sondern auch in ihrer Begründung. Zusammengefasste Bescheide gegen Steuerschuldner und Haftende verbieten sich deshalb, weil die Inanspruchnahme des Haftenden eine (zu begründende) Ermessensentscheidung ist, die des Steuerschuldners jedoch nicht. Auch rechtlich werden Haftungsbescheide nicht wie Steuerbescheide behandelt, sodass es von daher schon zweifelhaft ist, ob § 155 Abs. 3 AO überhaupt auf Haftungsbescheide anwendbar ist. Aus den gleichen Gründen können keine zusammengefassten Haftungsbescheide gegen mehrere Haftende ergehen.[7] Auch in den Fällen der Tatbestandsverwirklichung durch mehrere Personen dürfte der Erlass von zusammengefassten Steuerbescheiden oft ermessensfehlerhaft sein, so insbesondere dann, wenn die Stpfl. außer der Tatbestandsverwirklichung keine Beziehung verbindet (z. B. Käufer und Verkäufer eines Grundstücks). Hier wäre es ermessensfehlerhaft, eine solche Beziehung durch zusammengefasste Steuerbescheide herzustellen.

 

Rz. 58

Erlässt die Finanzbehörde gegen Gesamtschuldner nicht zusammengefasste, sondern einzelne Steuerbescheide, brauchen diese Steuerbescheide nicht inhaltsgleich zu sein. Die Finanzbehörde kann daher von einem Gesamtschuldner selbst dann die gesetzlich entstandene Steuer fordern, wenn gegen den anderen Gesamtschuldner bestandskräftig eine unrichtige (zu niedrige) Steuer festgesetzt wurde.[8]

 

Rz. 59

Für die ESt wird aus § 26b EStG abgeleitet, dass gegen zusammenveranlagte Ehegatten keine zusammengefassten Steuerbescheide nach § 155 Abs. 3 AO ergehen, sondern nur ein einheitlicher Steuerbescheid, da die Ehegatten gemeinsam als "ein" Stpfl. zu behandeln seien; § 26b EStG wird insoweit als lex specialis zu § 155 Abs. 3 AO aufgefasst.[9] Für die übrigen Fälle der Zusammenveranlagung wird diese Ansicht, soweit ersichtlich, nicht vertreten, da es insoweit an einer § 26b EStG entsprechenden Vorschrift fehlt. Die Ansicht von der verfahrensmäßigen Behandlung der Ehegatten als "ein Gesamt-Stpfl." geht davon aus, dass § 26b EStG auch als Verfahrensvorschrift aufzufassen ist. Die Frage, ob ein einheitlicher Steuerbescheid oder mehrere selbstständige, aber zusammengefasste Steuerbescheide ergehen sollen, ist eine verfahrensrechtliche Frage, die entscheidet, wie eine bestimmte Steuerschuld verfahrensmäßig zu behandeln ist. § 26b EStG behandelt die Zusammenveranlagung, d. h. die Frage, wie die Steuerschuld bei Ehegatten zu berechnen ist, also die (materiell-rechtliche) Stufe der Berechnung der Steuer. Die Vorschrift enthält weder in ihrem Inhalt noch nach ihrer systematischen Stellung einen Hinweis darauf, dass sie auch über diese materiell-rechtliche Bedeutung der Ermittlung der Steuer hinaus noch verfahrensrechtliche Bedeutung hat. § 26b EStG bedeutet daher (nur), dass es bei Zusammenveranlagung der Ehegatten nur einen Gesamtbetrag der Einkünfte, nur ein Einkommen und nur ein zu versteuerndes Einkommen gibt.[10] § 26b EStG ist also nur zu entnehmen, dass zwei Stpfl. ein Einkommen usw. haben, nicht aber, dass es sich ...

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