Rz. 68

Wird im Einspruchsverfahren gegen den als Bemessungsgrundlage dienenden Bescheid dieser aufgehoben oder geändert, so kann sich dies auf die Festsetzung des VZ auch dann auswirken, wenn diese nicht gesondert angefochten und damit bestandskräftig geworden ist. Die Korrekturmöglichkeit des § 130 Abs. 1 AO ist unabhängig von der Bestandskraft. Hiernach "kann" die Finanzbehörde die Festsetzung ändern. Die Entscheidung liegt in ihrem pflichtgemäßen Ermessen.[1] Bei der Ausübung des Ermessens hat die Finanzbehörde den Zweck der Ermächtigung zu berücksichtigen. Zweck des § 130 Abs. 1 AO ist es, rechtswidrige belastende Verwaltungsakte, soweit die Rechtswidrigkeit reicht, zu beseitigen und die materiell richtige Entscheidung herbeizuführen. Durch die Ermächtigung zur Ermessensausübung wird dem Rechtsgrundsatz der Bestandskraft auch rechtswidriger Verwaltungsakte Rechnung getragen. Dieser soll nicht durch ständige Korrektur des Verwaltungsakts ausgehöhlt werden. Eine Änderung der Festsetzung des VZ als Folge der Änderung der Bemessungsgrundlage würde dem Zweck der Ermächtigung aber nicht widersprechen. Die Bemessungsgrundlage war noch nicht bestandskräftig, sondern stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung im Einspruchsverfahren. Unter diesem Vorbehalt stand somit inzidenter auch die i. d. R. vor Eintritt der Bestandskraft der Bemessungsgrundlage vorgenommene Festsetzung des VZ. Der VZ kann insoweit als akzessorisch zur Steuerfestsetzung angesehen werden.[2] Wenn man hier nicht schon eine stillschweigende Bedingung[3] annehmen will, wird man zumindest davon ausgehen müssen, dass sich der Ermessensspielraum der Finanzbehörde hinsichtlich der vollständigen oder teilweisen Rücknahme des Verspätungszuschlags in diesem Fall auf Null reduziert.[4] Für die Finanzbehörde besteht bei einer Minderung der Bemessungsgrundlage im Einspruchsverfahren eine Verpflichtung zur Überprüfung der VZ-Festsetzung.[5] Der Beteiligte hat einen Rechtsanspruch auf wiederholte Prüfung der Zumessungskriterien.

 

Rz. 69

Die Behörde muss demnach die Korrektur der VZ-Festsetzung von Amts wegen vornehmen. Unterlässt sie dies, so ist jedenfalls die Ablehnung eines Antrags auf Rücknahme der VZ-Festsetzung entsprechend der Veränderung der Bemessungsgrundlage ermessensfehlerhaft. Der VZ ist zwingend herabzusetzen, wenn er infolge einer Korrektur der Bemessungsgrundlage die durch § 152 Abs. 2 und 4 AO gezogenen Grenzen überschreitet.[6]

 

Rz. 70

Hinsichtlich des Umfangs der Korrektur ergibt sich eine gewisse Bindung der Finanzbehörde. Sie kann nun nicht mehr – anders als wenn die Festsetzung des VZ ebenfalls angefochten ist – ihr Ermessen hinsichtlich der Beurteilungskriterien zulasten des Beteiligten erneut ausüben. Soweit die einzelnen Zumessungsgesichtspunkte durch die Minderung der Bemessungsgrundlage nicht berührt werden, ist die Finanzbehörde infolge der Bestandskraft der Festsetzung an deren bisherige Bewertung gebunden. Da durch die Minderung der Bemessungsgrundlage sowohl die Höhe des verbleibenden Zahlungsanspruchs, der aus der Pflichtverletzung gezogene Vorteil sowie der Grad des Verschuldens beeinflusst werden, reicht eine linear proportionale Minderung des Verspätungszuschlags i. d. R. nicht aus.[7]

[1] M. Frotscher, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, Erl. zu § 130 AO.
[2] Vgl. entsprechend BFH v. 8.12.1975, GrS 1/75, BStBl III 1976, 262, 264 für den Säumniszuschlag; vgl. entsprechend für die Aussetzungszinsen BFH v. 20.5.1987, II R 44/84, BStBl II 1988, 229.
[4] Pahlke, in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, Erl. zu § 5 AO.

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