Rz. 34

Gem. § 141 Abs. 1 S. 1 AO muss die Finanzbehörde das Erreichen oder Überschreiten der Bezugsgrößen (s. Rz. 20ff.) festgestellt haben. Die Rechtsqualität dieser "Feststellung" ist in der Literatur und in der Finanzrechtsprechung umstritten:

  • Einerseits wird die Ansicht vertreten, diese Feststellung sei nur die normale Beweiserhebungs- bzw. Ermittlungstätigkeit der Finanzbehörde, also eine tatsächliche Handlung, die in der Kenntnisnahme des Sachverhalts und der rechtlichen Subsumtion unter die Tatbestandsmerkmale des § 141 AO besteht.[1] Sie gibt die Begründung für die "Mitteilung", die erst als Verwaltungsakt die Rechtswirkungen auslöst (s. Rz. 37). Die Begründung für den Verwaltungsakt ist, ohne dass die Rechtswirksamkeit des Verwaltungsakts dadurch berührt wird, berichtigungsfähig und auswechselbar.[2] Das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale des § 141 AO muss von der Finanzbehörde festgestellt worden sein, d. h. aufgrund der Sachverhaltsumstände "bewiesen" sein.[3] Der entscheidungsbefugte Amtsträger muss sich aufgrund der der Finanzbehörde bekannten Umstände eine feste, gedanklich nachvollziehbare Überzeugung vom Vorliegen des Sachverhalts gebildet haben.
 

Rz. 35

  • Demgegenüber vertritt BFH v. 23.6.1983, IV R 3/82, BStBl II 1983, 768 die – m. E. allerdings nicht zutreffende – Ansicht, dass auch die "Feststellung" einen deklaratorischen Verwaltungsakt darstelle.[4] Dieser Verwaltungsakt könne mit der Mitteilung (s. Rz. 37) zu einem einheitlichen Verwaltungsakt verbunden werden, wobei die Berechnungsgrundlagen dem Stpfl. gem. § 121 AO mitgeteilt werden müssen. Die "Feststellungen" können aber auch im Rahmen einer Steuerfestsetzung oder eines Feststellungsbescheids getroffen sein. Die "Feststellung" hat damit nach Ansicht des BFH den Charakter eines Grundlagenverwaltungsakts, der bis zum Beginn der Buchführungspflicht erlassen worden sein muss. Sobald "Feststellung" und "Mitteilung" vorliegen, verbinden sich nach dieser Auffassung beide zu einem einheitlichen Verwaltungsakt (s. Rz. 41). Die Feststellung allein hat nach dieser Auffassung nur einen vorbereitend feststellenden Charakter.[5]
[1] Felsmann, INF 1977, 57; Paulick, FR 1978, 329; Freund, RWP 1982, 1098; Görke, in HHSp, AO/FGO, § 141 AO Rz. 45ff.; Märtens, in Gosch, AO/FGO, § 141 AO Rz. 33; Niedersächsisches FG v. 24.8.1978, VII 215/78, EFG 1979, 60; FG Nürnberg v. 28.7.1982, V 88/82, EFG 1983, 58; Niedersächsisches FG v. 9.1.1986, III (VII) 255/84, EFG 1986, 268; FG Düsseldorf v. 21.5.1986, IV 237/82 AO, EFG 1986, 534.
[2] BFH v. 16.12.1982, IV R 6/82, BStBl II 1983, 257, 259.
[4] Ebenso AEAO, zu § 141 Nr. 2, Koenig/Haselmann, AO, 4. Aufl. 2021, § 141 Rz. 37; wohl einschränkend Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 141 AO Rz. 24; Klein/Rätke, AO, 16. Aufl. 2022, § 141 Rz. 11.

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