Rz. 39

Ein Kennzeichen für eine mitteilungspflichtige Steuergestaltung liegt unter den Voraussetzungen des Main Purpose Tests vor, wenn ein Beteiligter unangemessene rechtliche Schritte unternimmt, um Verluste nutzen zu können. Zweck der Regelung ist, Maßnahmen zu erfassen, die zu einer "Statusverbesserung" hinsichtlich der Verluste führen, also zu einer Nutzung der Verluste, die ohne diese Maßnahmen nicht möglich wäre. Die Statusverbesserung ist durch einen Vergleich der Steuerbelastung nach der Steuergestaltung mit der hypothetischen Steuerbelastung bei einer angemessenen Steuergestaltung zu ermitteln. Dabei sind auch bei nahestehenden Personen eintretende Steuervorteile einzubeziehen.[1] Eine Gestaltung zur Verlustnutzung kann auch die Verschmelzung einer gewinnbringenden Gesellschaft auf eine Gesellschaft mit Verlustvorträgen sein, soweit die Verlustverrechnung nicht nach § 2 Abs. 4 UmwStG ausgeschlossen ist. Da dieser Ausschluss der Verlustnutzung aber nur für den Rückwirkungszeitraum gilt, liegt für die Verlustverrechnung in den Folgejahren eine Statusverbesserung vor.[2]

 

Rz. 40

Die Vorschrift ähnelt der "Mantelkaufregelung" nach § 8c KStG sowie § 2 Abs. 4 UmwStG. Der Unterschied besteht allerdings darin, dass §§ 8c KStG, 2 Abs. 4 UmwStG die Nutzung der Verluste untersagen, während § 138e Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a AO nur zu einer Mitteilungspflicht führt, die rechtlichen Folgen der Gestaltung, also die erweiterte Verlustnutzung, unberührt lässt. Die Abgrenzung zu §§ 8c, 8d KStG erfolgt dadurch, dass Gestaltungen nicht mitteilungspflichtig sind, die offensichtlich keine Statusverbesserung der Verluste zur Folge haben, weil dem eindeutige rechtliche Regelungen entgegenstehen. Der Erwerb des Unternehmens erfolgt dann nicht mit dem Ziel der Statusverbesserung. Das ist der Fall, wenn die Verluste nach §§ 8c, 8d KStG durch den Erwerb der Anteile an der die Verluste ausweisenden Kapitalgesellschaft unabziehbar werden. Insoweit besteht keine Mitteilungspflicht.[3] Mitteilungspflichtig können aber Gestaltungen sein, die darauf abzielen, die Anwendung der §§ 8c, 8d KStG zu umgehen. Das gilt auch, wenn die Verluste wegen der Konzernklausel, § 8c Abs. 1 S. 4 KStG, oder wegen Vorhandenseins von stillen Reserven, § 8c Abs. 1 S. 5ff. KStG, abziehbar bleiben.[4]

 

Rz. 41

Der Beteiligte muss "rechtliche Schritte" unternehmen. Diese rechtlichen Schritte bestehen in einer Reihe von Maßnahmen, die hintereinander durchgeführt zu dem Ergebnis einer Erweiterung der Verlustnutzung führen. Diese können in dem Abschluss von Verträgen, z. B. Verträge über Anteilskauf, in Umwandlungen oder ähnlichen Maßnahmen bestehen. Diese rechtlichen Schritte müssen "unangemessen" sein. Die Richtlinie (EU) 2018/822, a. a. O. (Rz. 3), formuliert dagegen in Anhang IV Ziff. II B 1, dass "künstliche" Schritte unternommen werden müssen. Da § 138e AO der Umsetzung der Richtlinie dient, wird man den Begriff "unangemessen" im Sinne von "künstlich" auslegen müssen. Beide Begriffe erfassen missbräuchliche Gestaltungen. Diese liegen vor, wenn die Nutzung der Verluste nach den rechtlichen Vorschriften nicht möglich wäre und die Verlustnutzung erst durch künstliche Maßnahmen eines Beteiligten hergestellt wird. Ist die Verlustnutzung oder die steuerliche Vergünstigung im Gesetz ausdrücklich vorgesehen, kommt es daher nicht zu einem Kennzeichen. Das ist etwa bei der Konzernklausel[5], der Stille-Reserven-Klausel[6], der Verlustnutzung bei fortführungsgebundenen Verlustvorträgen[7], bei § 6 Abs. 3, 5 EStG, § 6b EStG oder § 16 Abs. 3 EStG der Fall. Zu einem Kennzeichen kommt es in diesen Fällen allerdings, wenn durch Gestaltungen die Anwendung von Verlustabzugsbeschränkungen umgangen werden sollen oder durch künstliche rechtliche Maßnahmen eine vom Gesetzgeber nicht vorgesehene Verlustnutzung ermöglicht werden soll. Künstliche (unangemessene) rechtliche Schritte liegen vor, wenn diese ohne den Steuervorteil nicht unternommen worden wären. Ein Indiz ist es, wenn die Nutzung der Verluste dem Grunde nach rechtlich nicht möglich wäre, dies aber durch unangemessene (künstliche) Schritte der Beteiligten möglich gemacht wird.[8]

 

Rz. 42

Unangemessene bzw. künstliche Schritte sollen nach dem europarechtlichen Missbrauchsbegriff insbesondere dann vorliegen, wenn die gewählte Gestaltung rein künstlich, bar jeder wirtschaftlichen Realität ist und nur der Steuerumgehung dient.[9] Allerdings widerspricht dies dem Main Purpose Test, wonach nur einer der Hauptgründe die Steuerersparnis sein muss, also wirtschaftliche Gründe ein weiterer Hauptgrund sein können. Die Vorschriften sind daher nicht aufeinander abgestimmt. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs[10] soll der Begriff "unangemessen" dem Begriff des Missbrauchs in § 42 Abs. 2 AO entsprechen. Diese Gleichsetzung ist m. E. zweifelhaft, da der europarechtliche Missbrauchsbegriff, auf den der Begriff "unangemessen" wegen Umsetzung des in der Richtlinie verwendeten Begriffs "künstlich" zurückzugreifen ist, nicht unbedingt § 42 Abs. 2 ...

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